Mach doch - Roman
der neue Flügel des Gefängnisses fertiggestellt war, konnte sie nicht damit rechnen, dass ihr Liebhaber noch einmal auftauchen würde. Sie musste ihn ein letztes Mal kontaktieren. Er musste sie hier herausholen.
Denn sie stieß allmählich an ihre Grenzen. Lange würde sie ihre Scharade nicht mehr aufrechterhalten können. Es war ein Schock gewesen, plötzlich mit Jason Corwin konfrontiert zu werden, aber sie hatte sich große Mühe gegeben, nicht die Fassung zu verlieren. Doch als Lauren von dem geheimen Tagebuch erzählt hatte, war es ihr fast unmöglich gewesen, sich nichts anmerken zu lassen.
Seltsam, dass ihre Großmutter das Tagebuch nie erwähnt hatte, wo sie ihr doch von den Diamanten erzählt hatte. Für den Notfall, hatte sie gesagt. Es galt nur noch, die Steine zu finden.
Tja, inzwischen war Grandma tot, aber vielleicht enthielt dieses Tagebuch noch weitere Hinweise auf das Versteck. Hinweise, die Lauren womöglich nicht verstanden hatte.
Im Herzen des Hauses …
Was zum Teufel sollte das bedeuten? Beth musste es herausfinden, und deshalb brauchte sie dringend dieses Tagebuch. Sie wusste nicht, wo Lauren es aufbewahrte, aber sie ging davon aus, dass es sich irgendwo im Haus befand.
Beth konnte sich nicht darauf verlassen, dass er es aufstöberte. Sie wollte mit eigenen Augen sehen, was darin geschrieben stand, und versuchen, es zu entschlüsseln. Sie musste das Rätsel lösen und die Diamanten finden, ehe sie ihrer allzu neugierigen Schwester in die Hände fielen, denn Lauren war in vielerlei Hinsicht schrecklich unbedarft.
Die Erschöpfung, die Lauren nach einem Tag harter körperlicher Arbeit im Haus ihrer Großmutter übermannte, war ein Klacks, verglichen mit der bleiernen Müdigkeit, die nach diesem Besuch bei ihrer Schwester von ihr Besitz ergriff. Da diesmal Jason mit von der Partie gewesen war, hatte sie ihre Fröhlichkeit als noch künstlicher und übertriebener empfunden als sonst, das Geschichtenerzählen als noch anstrengender.
Dabei hatte er ohnehin die ganze Zeit über nur ihre Schwester beobachtet. Der Wunsch, er möge Beth mit all ihren Schwächen akzeptieren, lastete zentnerschwer auf ihr. Sie fühlte sich regelrecht ausgelaugt.
Warum kümmerte es sie überhaupt, was er dachte?
Sie wollte lieber gar nicht länger darüber nachdenken. Weil sie die Antwort bereits kannte. Weil es hier im Grunde um ihre größte Angst ging.
Die Angst davor, abgelehnt zu werden.
Nicht akzeptiert zu werden.
Dabei sollte sie mittlerweile eine Meisterin darin sein, sich dergleichen nicht mehr zu Herzen zu nehmen. Ihre Mutter, ihr Vater, Beth, Grandma, alle hatten sich früher oder später von ihr abgewendet, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Deshalb hatte sie Jasons Frage vorhin auch genau dort getroffen, wo es am meisten schmerzte. In ihrem Herzen. Er hatte Recht. Keiner in ihrer Familie hätte das für sie getan, was sie für Beth tat.
Lauren wünschte sich nichts sehnlicher, als dass diese Erkenntnis ihren Blickwinkel ändern möge. Vergeblich. Sie fühlte sich noch immer schuldig. Ihretwegen war Beth in die Fänge ihrer Großmutter geraten, deshalb würde sie tun, was auch immer vonnöten war, um es wiedergutzumachen.
Und sie würde die Zeit, die sie noch in der Stadt und mit Jason verbringen musste, überstehen, indem sie sich noch besser hinter ihrem Schutzschild, ihrer Unabhängigkeit, verschanzte. Wenn sie sich zu diesem Zweck von ihm distanzieren musste, dann war das eben nicht zu ändern.
Als er vor dem Haus hielt, überlegte sie, wie sie es ihm am besten beibringen sollte.
»Danke, dass ich dich begleiten durfte.« Er legte
den rechten Arm auf ihrer Nackenstütze ab und beugte sich zu ihr.
Das Mitgefühl in seinen Augen brachte sie aus der Fassung und machte es ihr noch schwerer, für die nötige Distanz zu sorgen. »Ich wollte nur, dass du dir selbst ein Urteil bildest.«
Er nickte. »Und ich bin froh, dass ich eine Gelegenheit dazu bekommen habe.«
Ein dumpfer Plumps ließ sie beide erschreckt zusammenfahren.
Es war Trouble, der auf die Motorhaube gesprungen war und sich nun dort zusammenrollte.
»Dämlicher Kater. Sieh nur, wie böse er uns anfunkelt. « Lauren betrachtete ihren Stubentiger, der sie durch die Windschutzscheibe hindurch mit großen gelben Augen anstarrte.
Jason stellte den Motor ab. »Apropos, ich habe deine Schwester heute genau beobachtet.«
Lauren biss sich auf die Unterlippe. »Ist mir aufgefallen. «
»Du dagegen siehst Beth nie an, wenn du
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