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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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geleerten Jauchegruben zahlten sich jetzt aus, jedes Körnchen gesiebter Sand und jeder Holzscheit, jetzt stürzte die Mauer ein   …
    Eines Tages verfiel Anetka auf die Idee, Gardinen haben zu wollen, ganz wie die Gadsche, und sie ließ nicht locker, bis Andrejko sich von Paľo ein Fahrrad borgte und nach Stakčín fuhr. Er kam erst abends zurück, abgekämpft und müde, weil er für diese Gardinen bis nach Snina hatte fahren müssen. Während er draußen am Bach Staub und Straßendreck abspülte, breitete Anetka die Gardinen auf dem Bett aus. Der Stoffstreifen war so lang, dass man den ganzen Wohnwagen mit ihm hätte umwickeln können, sie drückte ihn zärtlich gegen ihre Wange, dann zog sie sich aus und wickelte sich vorsichtig in das weiße Wunder ein. Zum Schluss zupfte sie die Falten glatt und stellte sich vor den Spiegel, sie wiegte sich in den Hüften, die Arme über dem Kopf, langsam und vorsichtig, ihr Bauch war ja schon groß, und um das Kleine, das sie unterm Herzen trug, hatte sie Angst.
    Als Andrejko in der Tür auftauchte, verschlug es ihm die Sprache. Statt seiner Anetka tanzte eine Waldfee vor ihm, sie trug ein durchsichtiges, aus silbernen Mondfäden gewebtes Kleid, eine fremdländische Prinzessin im leichten und durchsichtigen Sari sah er vor sich, und wie betäubt fasste er nach dem Gardinenzipfel und spulte den Stoff langsam von Anetka herunter. Sie stand da, reckte die Arme in die Luft und drehte sich langsam   – zufrieden, wunderschön und glücklich. Als |271| auch der letzte Rest zu Boden glitt, fiel sie Andrejko um den Hals und ließ sich wie eine Puppe zum Bett tragen.
    Und er wusste, dass alles in bester Ordnung war, denn so, mit über den Kopf erhobenen Armen, bloß wilder und ungestümer, so hatten die Frauen in Žižkov getanzt, wenn sie sich wohlfühlten, so tanzten kleine Mädchen in rosa Kleidchen, die gerade laufen gelernt haben, auch stolze Schönheiten in feuerroten Röcken tanzten so. So wiegten sich erschöpfte Matronen mit schweren Brüsten in den Hüften, und die Männer sahen zu, das Wasser lief ihnen im Mund zusammen, und es wurde ihnen dunkel vor den Augen. Meistens geriet ihr Blut von den wehenden Röcken dermaßen in Wallung, dass sie sich gegenseitig an die Gurgel gingen, denn Blut und Ehre waren mehr wert als das eigene Leben, und einen Mann, der nur ein einziges Mal klein beigegeben hätte, den würde eine schwarzäugige Schöne keines Blickes mehr würdigen   … Andrejko löste sich von Anetka und sah sich um, mit wem er sich raufen, über wen er herfallen könnte, dann stürzte er mit dem Messer in der Hand aus der Tür und schrie in die Nacht hinaus   …
     
    Im Sommer bekamen sie Besuch von Tibor. Anetka erkannte ihn an seinen Schritten, sie schnellte hoch und fiel ihm gleich in der Tür um den Hals. Als seine Augen an ihrem Bauch hängen blieben, errötete sie, dann aber fasste sie nach seiner Hand und zeigte ihm stolz ihr neues Zuhause. Tibor kam aus dem Staunen nicht heraus, noch vor einem Jahr hatten sie in einem dunklen, kalten und feuchten Loch gehaust und konnten nur nachts heizen, von Rauch, Asche und Ruß waren sie schwarz wie die Kaminfeger, die soeben einen Schornstein auseinandergenommen hatten. Aber Anetka kam schnell außer Atem, sie ließ sich schwer aufs Bett fallen, und erst nach |272| einer Weile stand sie wieder auf, um den Ofen anzuheizen und eine kleine Mahlzeit zu zaubern. Als Tibor ihr helfen wollte, lehnte sie verärgert ab. Sobald er aufgegessen hatte, wollte sie Neuigkeiten aus Pilsen hören, wie es zu Hause lief, da aber wurde Tibor auf einmal still, und man sah ihm an, dass er sich schämte. Plötzlich traten ihm Tränen in die Augen, und Anetka streichelte ihn sanft und fragte nicht weiter.
    Abends reichte Tibor Andrejko das schwarze Pappfutteral, das er aus Pilsen mitgebracht hatte. Mit zitternden Händen hob Andrejko den Deckel. Demčaks Geige   … Er streichelte sie vorsichtig und zupfte leicht an den Saiten, aber sie waren verstimmt, und Anetka stand auf und sagte, lasst uns rausgehen, hier drinnen ist es stickig. Sie gingen zum Bach, dort fassten sie sich an den Händen, alle drei, und wateten gegen die Strömung durch das kühle Wasser. An einem Tümpel lauerte ein Eisvogel, die Fische glitten um ihre Beine, und als Anetka zurückblieb, setzten sich Andrejko und Tibor auf einen Stein, um auf sie zu warten. Sie wollte zunächst ihr Kleid hochraffen, aber dann setzte sie sich einfach so in die Strömung, zufrieden saß

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