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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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Futteral.
    Vielleicht waren Anetka und ihr Bäuchlein ja auch nur eine Ausrede, vielleicht war er ein ganz normaler Feigling und Schlappschwanz, der sich vor dem Taumel fürchtete, der der Freiheit nicht gewachsen war   …
     
    Anfang Oktober, als die Tage kürzer und die Nächte kälter wurden, tuckerte ein Traktor zur Siedlung. Mihalič und Andrejko hievten Anetka vorsichtig auf den Vordersitz und fuhren sie nach Snina zum Arzt.
    Mihalič kehrte allein zurück. Und in Poljana gab es kein einziges Haus, in dem man nicht über die bevorstehende Entbindung gesprochen hätte, Anetkas dünnes Kleid und ihre nackten Pobacken waren längst vergessen, jetzt wischten sich die Weiber mit dem Rockzipfel die Augen und seufzten, als würde das Kleine, das geboren werden sollte, auch irgendwie ihnen gehören.
    Jeden Tag, gleich nachdem sich der Morgennebel aufgelöst hatte, schnappte sich Andrejko das Fahrrad und fuhr ins Krankenhaus. Schon von Weitem hörte man die quietschenden Räder, und die Männer, an denen er vorbeisauste, lachten, zu einer hübschen jungen Frau trabe man auf einem weißen Pferd und nicht auf einem rostigen Drahtesel   … Der Altweibersommer begann. Die Buchen und Ahorne kleideten sich erneut in rote und goldene Farben, das feurige Rot rutschte von den Berggipfeln allmählich in die Täler hinunter, die von dem kalten Morgennebel noch ganz nass waren, und Andrejko trat stürmisch in die Pedale, dachte an Anetka und nicht mehr daran, dass er hätte arbeiten sollen. Er wollte ja, probiert hatte er es mehrmals, aber seine Beine waren |276| wie von selbst in die entgegengesetzte Richtung marschiert, zum Krankenhaus   … Mihalič ist ein guter Mensch, tröstete er sich, der schreit einen weder an noch schmeißt er Leute raus   …
    Bis zur Stadt und zum Krankenhaus war es weit, Andrejko kehrte immer erst im Dunkeln zurück, und die vorbeifahrenden Autos blendeten ihn, einmal musste er den Lenker herumreißen und landete im Straßengraben. Ein anderes Mal fuhr er gleich hinter Stakčín in eine Gruppe von Männern, er hatte sie in der Dunkelheit nicht gesehen und fiel vom Fahrrad, das tat richtig weh, aber die Flüche und Beschimpfungen hoben ihn ganz schnell wieder in den Sattel. Die Männer hatten einen feuchtfröhlichen Abend hinter sich, sie waren ziemlich blau, und bis sie sich wieder gefasst hatten, war Andrejko schon weg. Hätten sie ihn erwischt, wäre es gar nicht lustig für ihn ausgegangen, und hätten sie bemerkt, dass er ein Zigeuner war, hätte er dreimal nichts zum Lachen gehabt.
    Anetka verließ nun das Bett nicht mehr, sie war zu zart und ihr Bauch sah aus wie ein Bierfass, so dass Andrejkos Hände zitterten, wenn er ihn anfassen wollte, er saß neben ihr und hielt ihre Hand, und wenn man ihn nach draußen schickte, lief er rastlos ums Krankenhaus herum oder rüttelte vergeblich an der verschlossenen Tür. Eines Tages war ihr Bett leer, als er kam, die Schwestern bezogen es gerade frisch und sahen ihn über die Schulter an, Anetka ist im Kreißsaal, sagten sie, es muss geschnitten werden, Andrejko taumelte rückwärts in den Flur, erschrocken lief er vor der breiten Tür auf und ab, hinter der seine Anetka litt, und fürchtete sich vor dem Moment, in dem die Glastür aufgehen würde.
    Außer Anetka hatte er doch niemanden auf der Welt   …
    Die letzten Besucher waren gegangen, der Abend brach herein, eine verstaubte Neonröhre flimmerte unter der |277| Decke und die Zeit schien stillzustehen. Endlich kam eine Schwester heraus und bat Andrejko herein, er stand in seinen löcherigen Socken da und zitterte wie ein frisch geschorenes Schaf, bis endlich ein junger Arzt im weißen Kittel kam, Andrejko die Hand reichte und sagte, herzlichen Glückwunsch, Sie sind Vater geworden! Andrejko hielt seine Hand, er konnte sie gar nicht mehr loslassen, nicht viele Gadsche hatten ihm bisher die Hand gereicht, und schon gar kein Arzt   … und der Herr Doktor deutete auf einen Stuhl, nahm ihm gegenüber Platz und sagte, sie hätten Anetka aufmachen müssen, um das Kind zu holen, es sei ein Mädchen, und mit Anetka dürfe keiner reden, weil sie jetzt schlafe   …
    Als Andrejko wieder im Flur stand, ließ er sich in einen Sessel fallen, er war ganz durcheinander, er konnte es immer noch nicht fassen. Die Schwestern bemerkten seine aufgerissenen Augen und zitternden Hände, und sie brachten ihm eine Tasse Tee und eine Decke. Am nächsten Morgen zeigten sie ihm ein kleines Bündel, ein weißes

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