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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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Lebens verbracht hatte, er hatte nie die Erde gepflügt und sich nie über sie gebeugt, er hatte nie gesät, höchstens nachts geerntet, und weil er sich an der Erde |263| nicht die Hände schmutzig gemacht hatte, hatte er auch keine Angst um sie. Wenn sein Haus zusammenfiel, weinte und schluchzte er laut, aber dann ließ er sich auch in einem Plattenbau nieder, wenn’s sein musste, er wollte einfach weiterleben, und solange er seine Kinder, Cousins, Onkel und Tanten um sich hatte, lebte er auch weiter, von wegen Wurzeln und Abstammung, darüber zerbrach der sich nicht den Kopf, an seine Hütte aus Lehm, Brettern und rostigem Blech dachte er nicht einmal im Traum zurück   …
    Überhaupt, diese Dunkas, die waren schon ’ne sonderbare Sippe, dachte Mihalič, sie hatten immer erzählt, wie wichtig ihnen die Religion wäre, bekreuzigten sich in einem fort und schworen im Namen der barmherzigen Muttergottes, aber all die Jahre hatte man sie nicht in der Kirche gesehen, höchstens wenn einer ihrer
čhibalo
, dieser Sippenältesten, gestorben war und sie gerade flüssig waren oder zumindest Geld in Aussicht hatten. Auch zur Taufe ließen sie sich in der Kirche blicken, das stimmte, manchmal hatten sie ein Kind auch mehrmals taufen lassen, wenn der Pate Geschenke versprochen hatte   …
    Einmal hatte er, Mihalič, einen kleinen Dunka in seinem Garten erwischt, der Junge schaffte es nicht rechtzeitig vom Baum herunter und versteckte sich in der Baumkrone, und als Mihalič ihn anbrüllte, hatte der Junge auf die Birnen um sich herum gezeigt und mit unschuldiger Miene gesagt: Das alles hat der Herr für uns alle gesegnet   … Wenn man bedachte, was der Herr alles für sie gesegnet hatte, mussten sie seine wahren Lieblinge sein. Einmal hatte einer in der Schenke eine Geschichte zum Besten gegeben, sein Feld war eines Nachts komplett abgeerntet worden, der Dieb aber hatte jede siebte Rübe stehen lassen, denn wie hieß es in den Zehn Geboten? Das siebte, du sollst nicht stehlen.
    |264| Und wie ängstlich sie immer waren, die hatten ja schon immer die Hosen voll vor Angst. Einmal, da lief er gerade durch den Wald von Borsučiny, stolperte ihm ein Haufen erschrockener Frauen und Kinder entgegen, barfuß rannten sie über Wurzeln und scharfkantige Steine, Blutstropfen schimmerten auf dem Boden, und die Frauen schrien, da oben, Herr, da reißt grad ein Bär unsere Kinder in Stücke, ein Bär so groß wie ein Kalb, ach was, groß wie ’ne Kuh ist der, riefen sie und deuteten hinter sich, hängten sich an seine Ärmel und rauften sich die Haare. Er riss das Gewehr von der Schulter und rannte los, aber in den Himbeersträuchern oben fand er nur festgetrampelte Pfade und umgekippte Kannen. Erst gegen Abend tauchte Meister Petz auf der gegenüberliegenden Talseite auf, die Dunkas mussten ihm einen Riesenschrecken eingejagt haben, sonst wäre er nicht so weit geflüchtet.
    Mihalič blieb am Waldrand stehen, nach der Anstrengung des Aufstiegs beruhigte sich sein Atem allmählich, er sah der Rauchwolke zu, die unter ihm in der Siedlung aufstieg, und dachte an jene Nacht, als er diesen Rauch zum ersten Mal gerochen und sofort gewusst hatte, dass es in Poljana wieder Zigeuner gab. Andrejkos Ofen schien einen guten Zug zu haben, der Rauch löste sich bald auf, und schon sah man nur noch einen dünnen grauen Streifen am Himmel.
    Was hat sie bloß hierhergetrieben?, fragte er sich, eine so weite Strecke. Seit Menschengedenken war Poljana ein Ort, von dem man wegging, nach Amerika, Prag oder wenigstens nach Košice, alle gingen von hier weg, Ruthenen, Juden und Zigeuner, sie alle waren gegangen, der Einzige, der immer wieder zurückkam, war Andrejko, und mit Anetka hatte er sich an der gleichen Stelle wie zuvor die Dunkas niedergelassen.
Dobre na starym ohnisku oheň klasc,
auf alter Feuerstelle ist gut Feuer machen, sagte er, als er später Paraska von den beiden |265| erzählte. Andrejko ist nicht gerade kräftig, aber geschickt ist er, und die Anetka, jajaj   … Mihalič blickte verträumt vor sich hin und Paraska sah ihn misstrauisch von der Seite an.
     
    In jenem Jahr, kaum ein paar Monate nachdem die letzte Rolle rostigen Stacheldrahts von der Grenze weggeschafft worden war, wurde alles anders. Die Zeiten, als ein Brötchen noch dreißig Halíř, eine Tüte Milch zwei Kronen und ein Brotlaib vier Kronen zwanzig gekostet hatten, waren vorbei, am Sonntag fuhren keine Busse mehr nach Poljana, weil die Fabriken, die Stahlwerke von

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