Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Federbettchen, aus dem ein kleines Köpfchen mit wenigen feinen Haaren ragte, das Mädchen sah wie eine Spielzeugpuppe aus, ihre Wangen waren noch rot von der Anstrengung, auf die Welt zu wollen, und Anrejko streichelte sie vorsichtig und ließ sich zu Anetka bringen. Sie sah mitgenommen aus, ihr Gesicht war geschwollen, Andrejko nahm ihre Hand und flüsterte, dass er sie liebe und dass alles gut werde, aber die Stimme versagte ihm und er verhaspelte sich, und die erschöpfte Anetka lächelte nur schwach, weil ihr alles, aber auch alles furchtbar wehtat.
Dem Mädchen, das an jenem Abend zur Welt gebracht worden war, gaben sie den Namen Darina, Darja.
|278| 21.
Zu Hause fiel Andrejko alles aus der Hand, er konnte weder essen noch schlafen, er saß den ganzen Tag auf der Wohnwagentreppe, seine Hände zitterten und in seinen Schläfen pochte es, als schlüge dort ein Schmied auf seinen Amboss. Erst jetzt, als er allein war, dämmerte ihm langsam, was passiert war, dass er Vater geworden war, Papa … Alles war auf einmal anders. Das, was gestern noch eine Linie war und ohne Anfang und Ende dahinschwebte, schien zu seinem Ursprung zurückgekehrt zu sein und nun einen Kreis zu formen. Als befände er sich auf einer Reise, die zu Ende ging und zugleich begann …
Der Mond war noch nicht aufgegangen, in dem zarten Nebeldunst sah man ein paar Lichter, die letzten hell erleuchteten Fenster im Tal. Andrejko war allein, mutterseelenallein, weit weg von allen Menschen, umso näher jedoch dem frostig-schwarzen Himmel, an dem tausend und abertausend silberne Perlen hingen. Die Sterne blinkten, und er suchte unter ihnen nach dreien, die dicht beieinanderstanden, zwei größeren Sternen und einem neugeborenen kleinen Sternchen. Er schwankte, ihm drehte sich der Kopf, es war alles zu viel, viel mehr, als er aushalten konnte, und er schrie laut auf, sein Schrei klang wie das Jaulen eines einsamen Wolfes, lang gezogen und voller Wehmut. Dann wischte er sich mit dem Ärmel die Augen und kehrte in den Wohnwagen zurück, |279| steckte sich dort ein Stück Brot und eine Scheibe Speck in die Tasche und stürzte hinaus in die Dunkelheit.
Die letzten Lichter von Vyšná Poljana blieben zurück, auch das Bellen der Hunde verklang, man hörte keine Schafe mehr blöken, keine Pferde schnauben. Andrejko hastete entschlossen den Berg hinauf, sein Atem ging rasch, er musste den Schmerz loswerden, Schwindel erfasste ihn, denn jetzt war er überflüssig auf der Welt, sein Weg und sein Leben waren in das kleine Bündel unter der weißen Krankenhausdecke übergegangen … Vor ihm ragten die Umrisse kleinwüchsiger, mit Moos bewachsener Buchen, Ahorne und Ebereschen in den Himmel, die Blätter raschelten und knisterten, hier und da huschte ein Schatten durch die Dunkelheit, eine Eule rief, irgendwo ganz nah knackte ein trockener Zweig, und unmittelbar darauf hörte man ein Schnauben und eiliges Hufgetrappel. Andrejko bahnte sich mit wütendem Schritt einen Weg durch den Wald, er stieg hinauf, um in der Umarmung seiner Berge Trost zu finden, um auf dem Gipfel die Flügel auszubreiten und zu den flimmernden Sternen emporzufliegen, um zu sterben vielleicht. Gleichzeitig wünschte er sich aber nichts sehnlicher, als am Leben zu bleiben, weil er trotz des Schmerzes – oder dank ihm – wusste, wie schön, verrückt und irrsinnig gut sein Leben gewesen war … Er stolperte über Wurzeln, kletterte über Steine, rutschte in Löcher, die mit Laub zugeweht waren, aber er rappelte sich immer wieder hoch und hastete weiter, bis zu der Stelle, an der sich aus dem hell werdenden Horizont die Morgenröte herausschälte, wo der Morgenstern glitzerte, der letzte Stern der sich ihrem Ende zuneigenden Nacht.
Und plötzlich war der Weg zu Ende. Andrejko lag ausgestreckt auf dem Gipfel und atmete heftig, seine Lungen |280| brannten, sein Gesicht und seine Arme, zerkratzt von Brombeerzweigen, bluteten, und sein Herz pochte wie wild, sein erschöpfter Körper lag auf der Erde und verwuchs mit ihr, er schlug Wurzeln, wurde von Moos überwuchert und vermoderte, gleichzeitig entstand etwas Neues, statt Sekunden und Minuten rasten Tage und Jahre an ihm vorbei, Jahrzehnte wurden zu Augenblicken, die Zeit lastete schwer wie ein Berg auf ihm und war zugleich leicht wie eine Feder, die man von der Handfläche pustete …
Die aufgehende Sonne durchbrach die schwarze Linie des Horizonts, der Wald um ihn herum fing Feuer, die krummen Äste der Ahorne,
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