Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Košice, das Chemiewerk in Humenné und das Vihorlat-Metallwerk in Snina, immer weniger Menschen brauchten. Auch viele Männer aus Poljana wurden arbeitslos. Als dann noch der Nachmittagsbus eingestellt wurde, schlugen die Kerle von Poljana mit den Fäusten auf den Tisch, wozu brauchte man Fabriken, wozu Busse, sie würden selbst für ihre Familien sorgen, sie von eigener Hände Arbeit ernähren, auch wenn sie sich dabei auf ihren Feldern, den schmalen, steinigen Äckern, zu Tode rackern sollten.
Von Osten, von der anderen Seite der Grenze, sickerten ebenfalls merkwürdige Nachrichten durch. In der Ukraine hatte sich das Geld in wertlose Papierfetzen verwandelt; wenn man bezahlen wollte, musste man Hunderte, später Tausende und schließlich Millionen von Rubel, Karbowanzen oder Hrywnja hinblättern, aus der Karpato-Ukraine hatte sich die Arbeit davongestohlen und mit ihr Menschen, die nun versuchten, sich in Košice, Bratislava oder Prag durchzuschlagen. Dort trafen auf einmal auf derselben Baustelle Männer zusammen, deren Leben einst durch das feine Netz der Waldpfade verbunden gewesen waren, bis man sie vor fünfzig Jahren mit Grenzen und Stacheldraht voneinander |266| getrennt hatte: Ruthenen aus Zobje, Stužice und Volosianka. Zu Hause blieben nur diejenigen, die sich nicht aufraffen konnten, denen schon beim bloßen Gedanken daran, von ihrem Holzhaus und ihren Schafen Abschied zu nehmen, das Herz brach. Dieses wilde und schöne Land fand sich in alte Zeiten zurückversetzt, als es noch keine Busse, keine Ärzte und kein Geld gegeben hatte. Schon wurden in der geheimnisvollen und wundersamen Walpurgisnacht wieder große Feuer entzündet, in der ersten Vollmondnacht nach Johanni pflückten alte Frauen Zauberkräuter im Hain, weil Arzneimittel unerschwinglich geworden waren, und Männer, die nicht mal die paar Kröten für ein Glas Wodka übrig hatten, löteten ihre alten Kessel zusammen, in denen sie früher selbst Schnaps gebrannt hatten, sie hackten Holz und befeuerten die Öfen, damit ihre Frauen Fladenbrot backen konnten, weil man ohne Benzin nicht zur Bäckerei kam … Wie in alten Zeiten trieben sie ihre Schafe auf die Weide, ein Stück Speck und eine Handvoll Maismehl in der Tasche, und zündeten nachts Feuer an, um hungrige Wölfe zu vertreiben, die um den
košár
, die eingefriedete Schafsweide, ihre Kreise zogen. Manch einer schulterte sogar einen mit Zigaretten vollgestopften Rucksack, marschierte über die Staatsgrenze und fragte sich mit einem bitteren Seufzer, wozu man ihnen nun nach so vielen Jahren die Ketten gelockert hätte, jetzt wäre zwar das Bellen erlaubt, aber das Brot, die Schüssel mit dem Futter, hätte man ihnen weggenommen …
Auf der slowakischen Seite der Grenze erging es den Menschen ein wenig besser. Nur wer kein Feld hatte, das ihn ernähren konnte, und wer keine lange Anfahrt zur Arbeitsstelle in Kauf nehmen wollte, der hockte mürrisch zu Hause, soff sich die Hucke voll und suchte verzweifelt nach einem Schuldigen, den er für seine Misere verantwortlich machen |267| konnte. Das konnten die alten und die neuen Herren der Kreisverwaltung sein oder die Herrschaften in Bratislava oder Prag, jeder kam infrage, ob Bolschewik, Ungar oder Tscheche. Man zog über die Judensäcke und über Gott her, auch über Andrejko, der weiterhin seiner Waldarbeit nachging, sogar am Sonntag, wenn alle in der Kirche saßen und später in der Schenke oder vor der Glotze hockten … Die Männer jagten sich ihre magere Stütze durch die Kehle und ließen regelrechte Hasstiraden gegen Andrejko vom Stapel, die Weiber wiederum zerrissen sich das Maul über Anetka, die mit leichter Hand Geld ausgab und leichte Kleider trug, unter denen sie, wenn es heiß war, gar nichts anhatte. Sie kaufte neue Kleider und Schuhe, sie ließ sich sogar eine Pelzjacke nähen, eine kurze, die nur bis zur Taille ging, einfach so, damit die Weiber was zu schimpfen hatten, und die waren ohnehin ungehalten, weil sie die Kleider vom Vorjahr anziehen mussten, während sich ihre Männer unter ihre uralten Škodas und Trabis schoben, deren Lack von den Gänsen angepickt worden war, oder zum Nachbarn flüchteten, um dort
horilka
zu brennen und zu verkosten. Nachts lagen sie dann neben ihren müden und verblühten besseren Hälften im Bett und dachten an diese hübsche, feingliedrige Zigeunerin mit den langen schwarzen Haaren und dem hübschen Po, an ihr leichtes Kleid, das im Wind flatterte …
Saša Jankura und Miro
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