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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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auf dem Boden, Federn aus der aufgerissenen Bettdecke schwebten in der Luft, das nagelneue Bettchen für Darjenka war zertrümmert und die Matratze zerschnitten.
    Andrejko riss die Augen auf. Wer konnte das gewesen sein, wer hatte sich das erlaubt, was hatte derjenige hier gesucht, Anetka und er hatten doch nichts, nicht einmal abgeschlossen hatten sie   … Blut stieg ihm in die Schläfen, warum das alles? Wegen Geld   … Er wurde blass und sprang zum Bett, dort zwischen Gitterrost und Strohmatratze hatten sie einen Umschlag mit ein paar Hundertern aufbewahrt, bis zur nächsten Lohnauszahlung, aber das Bett war durchwühlt, das Geld fort   … Andrejko sprang auf, schnappte sich die Axt und rannte hinaus. Seine Beine trugen ihn von selbst ins Dorf   … Vor dem ersten Haus blieb er stehen, er atmete hastig und sah sich um, an wem er seine Schande rächen und seine Wut auslassen sollte, aber es kam keiner. Also stürzte er sich auf einen Lattenzaun am Wegesrand und drosch auf ihn ein, als würde er sich durch ein Dickicht aus Streichhölzern und Holzspießen kämpfen   … Als er alles kurz und klein geschlagen hatte, warf er die Axt zu Boden, zog die Hose herunter, und mitten |286| auf dem Weg, leicht nach hinten gebeugt und mit nacktem Hintern, stand er vor dem Dorf und urinierte   … Dann zog er die Hose wieder hoch, nahm seine Axt und trat langsam den Nachhauseweg an.
    Erleichterung brachte es ihm kaum.
    ***
    Es dauerte lange, bis Anetka wiederhergestellt war und man sie nach Hause ließ.
    Eines Tages aber war es doch so weit, ein Krankenwagen hielt vor der Kirche, und Andrejko sprang heraus, um Anetka beim Aussteigen zu helfen, sie trug ein Bündel im Arm, ein weißes Federbettchen, aus dem ein winziges Gesicht mit Schnuller ragte, die Kleine sah aus wie eine Puppe, und an ihrem Handgelenk leuchtete eine rote Schleife, die sie nach altem Brauch vor bösen Kräften schützen sollte.
    Die Weiber vor dem Lebensmittelladen hörten auf, mit den Armen zu fuchteln, sie wurden still und sahen zu, wie die kleine Familie zwischen den letzten Häusern verschwand, und sie dachten an den nahenden Winter, der sich bereits mit morgendlichem Frost, Raureif und eisüberzogenen Pfützen ankündigte. Sie bekreuzigten sich, zumindest im Geiste.

|287| 22.
    Für die kleine Darja bekamen Andrejko und Anetka Kindergeld,
čhavengere love
. Damit sich die Briefträgerin nicht bis zur Siedlung abmühen musste, hinterlegte sie das Geld für sie im Lebensmittelladen, Andrejko holte es dort ab und gab es gleich für Essen aus, für Milchpulver, Kinderbrei und Löffelbiskuits. Und wenn er in Stakčín war, vergaß er nie, für die Kleine ein Spielzeug zu kaufen, eine Puppe, einen Teddybären oder zumindest eine
čorkutka
, eine Rassel.
    Doch das Kindergeld allein reichte nicht zum Leben. Und weil es im Dorf im Winter keine Arbeit gab, musste Andrejko eines Tages mit gesenktem Kopf das Forsthaus ansteuern. Als er in der Tür auftauchte, ließ ihn Mihalič auf der Schwelle stehen, bat ihn nicht einmal herein, er schwieg, sog an seiner Pfeife und trommelte mit dem Bleistift auf den Tisch, weil Andrejko sich seit Monaten nicht im Wald hatte blicken lassen   … Andrejko schossen Tränen in die Augen, diese Erniedrigung! Und dann noch der Gedanke daran, was passieren würde, wenn ihm Mihalič keine Arbeit gäbe, seit Tagen stolzierte Anetka schon durch den Wohnwagen, klapperte mit leeren Töpfen und knallte wütend die Tür zum leer geräumten Schrank zu   …
    Schließlich hatte Mihalič Erbarmen mit ihm. In der Schenke schnauzten ihn zwar die Männer böse an: Glaub keinem Hund, der schläft, keinem Weib, das weint, und keinem Zigeuner, |288| der dir das Blaue vom Himmel verspricht   … Aber er wusste ja, dass Andrejko früher keine einzige Schicht ausgelassen und sich nie wie die anderen hatte volllaufen lassen, er hatte auch nicht vergessen, dass Andrejko notfalls auch am Sonntag kam, wenn die anderen in der Kirche und dann in der Schenke hockten. Denn der Feiertag war heilig in Poljana, am Sonntag arbeitete man nicht. Außerdem würde es ihm schwerfallen, an der Siedlung vorbeizugehen, wenn er Andrejko keine Chance gegeben hätte. Schon allein wegen der Kleinen musste er das tun   …
    Und noch etwas trug zu Mihaličs Entscheidung bei: die Pferde. Weil ein Traktor teuer ist und die Ersatzteile noch teurer, sofern man überhaupt welche bekam. Und die Berge, seine geliebten Bukovské hory, litten unter den schweren Maschinen, nach

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