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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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den Lärm der Kettensägen und schweren Motoren würde er nicht mehr zurückkehren, er würde keine grünen Zweige mehr abschlagen.
    Er würde zu Demčaks Geige zurückkehren und wieder zu spielen lernen, er würde wieder zu sehen und zu hören beginnen, |283| nicht mit den Augen und den Ohren, nein, ganz anders und viel schärfer, mit seinem Herzen.
    Wozu brauchte er eigentlich Geld? Damit er wie die Gadsche Monat für Monat auf ein Haus, auf eine Wiese oder auf ein Feld sparen konnte? Um sich dann dort jahrelang abzurackern und nachts wach zu liegen, vor lauter Angst, jemand könnte ihm seinen Besitz nehmen?
    Demčak hatte erzählt, dass Lavička nicht mit Geld umgehen konnte. Wenn man ihm an einem Abend so viele Scheine hinter die Saiten stopfte, wie ein anderer in einem ganzen Monat nicht verbraucht hätte, war Lavička so unglücklich, dass er die ganze Summe an einem einzigen Abend ausgeben oder verschenken musste, er, ein derart begnadeter Musiker, zahlte dann die Zeche fürs ganze Haus, und am schönsten war für ihn, wenn er am nächsten Morgen um zehn Kronen für den Bus betteln musste   …
    Der alte Laco hätte sich über ihn lustig gemacht, er hätte Andrejko einen Arm um die Schultern gelegt und mit dem anderen einen Kreis beschrieben:
Kas kher hin, oles hin ča jekh, kas kher nane, oles hin šel   …
Wer ein Haus hat, der hat eines, wer kein Haus hat, der hat Hunderte   … Und wer ein großes Leben leben will, der darf kein großes Haus haben   …
    Erst wenn einer ganz tief gefallen ist, kann er nach oben blicken, zum Himmel und zu den Sternen   …
     
    Die Sonne stieg höher, der Nebel in den Tälern löste sich auf, ein leichter Wind zauste die Baumkronen, und buntes Laub segelte zu Boden, das Säuseln und Rascheln der Blätter verschmolz mit den langsamen Tönen eines Liedes:
Čhajori romaňi, ker mange jagori, na cikňi na bari, čarav tro voďori   …
Mein liebes, liebes Mädchen, ich bitt dich, mach mal Feuer   … Das Lied klang nicht angespannt, wie eine |284| Saite kurz bevor sie reißt, es war glatt und rund wie ein frostklarer Oktobermorgen   …
    Wie schön sind Bäume, die man alt werden lässt, Bäume, die unterhalb des Kremenec aufrecht sterben, wie klar und rein ist die Welt, wenn man sie durch einen Tautropfen betrachtet, morgens nach dem Aufwachen, wenn man wieder genauso scharf sieht wie früher, wenn man wieder Durst und Hunger verspürt, den echten Hunger nach Leben und nach den Bergen. Wie schön und voller Schmerz sind die Romalieder, sie flattern zusammen mit dem Wind, der über das lange Gras auf der Hochebene streift, sie wiehern wie ein Fohlen, das fröhlich über die Wiese springt, sie glühen wie die Johannisnacht mit ihren flackernden Lichtern und geheimnisvollen Düften. Diese Lieder wissen um die lange Reise durch die ungarische Puszta, um die Mitternachtsfeuer und die durchtanzten Nächte in der still gewordenen Steppe, sie bersten vor einer Freude, die einen den Verstand verlieren lässt, und vor einem Schmerz, von dem man sich nur freisingen kann, es steckt Hass in ihnen, der heißes Blut in Wallung bringt, und Liebe, für die man so leicht und doch so ungern das Leben hingibt   … Sie sind wie Rinnsale kristallklaren Wassers und wie funkelnde, wilde Augen, die schwarz sind wie Kohle. Die feurigen Csardas-Lieder und die klagenden Halgato kann niemand auf der ganzen Welt in Noten pressen, sie bestehen nicht aus Tönen, sondern bluten und sprudeln aus der Tiefe, aus dem Inneren, so wie eine Quelle aus der Erde und der Saft aus einem verletzten Baum, sie sind heiser, kantig und schneidend, und zugleich so weich und traurig, dass man verrückt werden möchte.
    Na cikňi na bari, čarav tro voďori.
    Mein liebes, liebes Mädchen, ich bitt dich, mach mal Feuer   …
     
    |285| Müde und hungrig machte sich Andrejko auf den Heimweg, alles in ihm tanzte und sang, er verließ den Wald, lief über die Wiesen, passierte das Gehölz, lehnte sich gegen eine Linde am Wegesrand, streichelte ihre rissige Rinde und sah in der Ferne schon den roten Wohnwagen wie eine einsame Mohnblüte inmitten eines riesigen Feldes leuchten. Doch bereits im nächsten Moment war ihm, als hätte man einen Eimer eiskaltes Wasser über ihn gegossen: Schon aus dieser Entfernung konnte er erkennen, dass der Tisch und die Stühle draußen lagen, die aus der Angel gerissene Tür hing über der Treppe, und drinnen   … der Schrank war umgekippt, der Zylinder der Petroleumlampe lag zerbrochen

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