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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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Münze traf Jankuras Schuh, aber es war ihm peinlich, sich danach zu bücken. Als er nach einer Weile erneut auf den Boden sah, lagen schon mehrere Münzen dort, und da konnte der Alte doch nicht mehr an sich halten. Er tat so, als müsste er sich die Schnürsenkel zubinden, und fischte im Staub nach dem Geld, weitere Münzen kamen angeflogen, die Leute an der Haltestelle merkten, dass irgendetwas vor sich ging. Sie wurden unruhig und stellten wenigstens ihren Fuß auf die Münzen in ihrer Nähe, bis einer es nicht mehr aushielt und sich bückte. Als hätten sie nur darauf gewartet, hockten sich auch die anderen hin und fingerten zwischen den Kippen und verrosteten Kronkorken herum, sie rempelten sich an und traten sich auf die Füße, während Anetka auf der Bank saß und ihnen immer neue Münzen hinwarf, wie eine Gräfin, die Schwäne im Schlossteich füttert   …
    Die Weiber vor dem Lebensmittelladen sahen die aufgerüschte Zigeunerin und den hochgewirbelten Staub, in dem die gebeugten Rücken der ehrenwerten Bürger von Vyšná Poljana kaum auszumachen waren, und eine rief: Dass ihr |305| euch nicht schämt! Wie ein Rasiermesser schnitt ihre schrille Stimme durch die Luft, und alle erschraken, richteten sich rasch wieder auf und nahmen erst da Anetka und ihre Münzen wahr. Als hätte man sie mit eiskaltem Wasser übergossen, wie vom Donner gerührt und schamesrot standen sie da: Wie hatten sie sich bloß so dermaßen auf den Arm nehmen lassen können! Draußen vor der Schenke saßen einige Männer und tranken und konnten sich vor Lachen kaum noch auf dem Stuhl halten, vor allem wegen des alten Jankura. Mitro Jankura war der einflussreichste Bauer von ganz Poljana und der knauserigste Geizkragen noch dazu, er trug die Nase so hoch, dass es glatt reinregnen könnte, und jetzt hatte er sich von so einem Luder zum Besten halten lassen, von einer Zigeunerin mit einer Handvoll schmieriger Münzen   … An der Haltestelle tat man, als wäre gar nichts passiert, die Leute blickten starr vor sich hin, aber die aufgelesenen Münzen brannten in ihren Händen wie glühendes Eisen.
    Etwas war passiert, das wusste jeder, und alle schworen, es Anetka ihr Lebtag nicht zu verzeihen.
     
    Dieser prächtige Frühling, der in einen glühend heißen Sommer überging, machte auch ihren Kater ganz hitzig, immer wieder verschwand er und tauchte erst nach Tagen wieder auf, mit frischen Wunden und eingerissenen Ohren, oder er streunte einfach herum und jammerte laut, weil in ihm eine Sehnsucht brannte, die keiner stillen konnte. Andrejko und Anetka konnten nicht einmal richtig schlafen dabei, denn sein Jammern klang, als weinte draußen ein Baby.
    Als der kleine Stromer wieder einmal nicht nach Hause zurückfand, machten sie sich auf die Suche. Sie kämmten alle Sträucher am Bach durch, suchten Felder und Wiesen ab, gingen zur Straße und dann ins Dorf und sogar hinauf in |306| den Wald, aber ihre Suche war vergeblich, ihr kleiner Schatz tauchte nicht auf. Ohne den Kater fühlten sie sich unvollständig, die Kleine streckte immer wieder die Hand aus dem Bettchen und tastete suchend nach ihm, jeden Abend und jeden Morgen gossen sie frische Milch in die Schüssel vor der Tür. Bei der Arbeit zogen die Männer Andrejko auf mit Geschichten, dass sie gestern oder vorgestern im Feld oder auf dem Baum eine Katze oder einen Kater gesehen hätten, der nach Spatzen und Meisen Ausschau hielt und sich genüsslich die Barthaare leckte. Jedes Mal machte sich Andrejko sofort auf den Weg. Sie lachten, von wegen so ein Aufstand wegen eines gewöhnlichen Katers, wenn Andrejko wollte, würden sie ihm einen ganzen Korb mit solchen Kätzchen bringen, mit viel schöneren. Aber Andrejko wollte keine dreifarbige Katze, auch keine schwarze mit weißen Tatzen, er wollte ihren ganz gewöhnlichen schwarzen Kater mit dem halb abgerissenen Ohr zurück.
    Erst eines Tages, gegen Mittag   … Anetka hatte es eilig, nach Hause zu kommen, sie schob den Kinderwagen mit Darja und der Einkaufstüte den holprigen Weg hinauf, als ihre Augen einen dunklen Schatten im Graben streiften. Zunächst lief sie weiter, aber dann ließ es ihr keine Ruhe, also kehrte sie um und sprang in den Straßengraben. Ihre Augen weiteten sich vor Schrecken, ihr geliebter Murrkater lag dort, fürchterlich zugerichtet, mit Schlamm bedeckt, angetrocknetes Blut auf der Schnauze. Anetka kniete sich hin und kraulte ihn hinter den Ohren, wie er es so gern gehabt hatte, sie zitterte am ganzen Leib und

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