Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Stamm, die mächtige Eiche ragte in die Höhe wie eine Säule, die ein Kirchenschiff stützt, er streichelte die silbrige Rinde und zitterte, weil er wusste, was es zu bedeuten hatte, wenn man sich mit einer solchen Eiche messen musste und einem dafür nur eine gewöhnliche Säge, eine Axt und zwei Fällkeile zur Verfügung standen, er wusste, wie viel Kraft es kostete, bis ein solcher Held gefällt war. Je mehr Schmerz einer im Leben erfährt, sagte man, desto gewaltiger muss der Baum sein, den er zu fällen hat. Der Schmerz darüber, dass einem die Frau weggerannt war, dass ein Kind krank oder gestorben war, würde erst dann weichen, wenn der Baum auf dem Boden läge und der erschöpfte Mann neben ihm, erst dann ließe der Schmerz nach … Jemand zog eine Flasche Schnaps hervor, die Männer tranken alle schweigend einen Schluck, und als sie gingen, klopften sie Andrejko auf die Schulter, von wegen es wird wieder gut, aber Andrejko konnte nicht, er hatte |313| keine Kraft, um die Axt hochzuheben, sie in das lebende Holz zu schlagen.
Ein Verrückter war er, durchgeknallt … auch in Pilsen hatten alle über ihn die Nase gerümpft, die Gadsche wie die Roma. Sie fanden ihn komisch, weil er lieber am Fluss hockte, als mit ihnen herumzuziehen, weil er anders war, und jetzt, anstatt in die Hände zu spucken, war ihm vor einem gewöhnlichen Baum angst und bange … Paľo sah ihn an und dachte, der kleine Zigeuner wird allmählich genauso sonderbar wie der alte Bielčik. Als Jurajs letzte Freunde gestorben waren, trieb er sich viel in den Bergen herum, ein gebeugter Greis, manchmal sah man ihn am Waldrand stehen und mit den Bäumen reden. Als aber auf dem Kyčera gerodet wurde, warf Juraj nur einen kurzen Blick von ferne herüber, dann schloss er sich zu Hause ein und trank sich dort zu Tode. Es waren aber nicht die Männer von Poljana, die dort die Bäume gefällt hatten, sie hätten nicht an Jurajs Haus vorbeigehen können, für diese Schmutzarbeit war es ihnen das Geld nicht wert. Die Bäume auf dem Kyčera waren von Fremden gerodet worden, den Herrschaften von der Waldverwaltung stank Geld nicht, und Mihalič musste damals in die Papiere als Kategorie Ausschussware eintragen. So billig wurden die gesunden Stämme hundertjähriger Eichen verkauft, die hart und schwielig waren wie die Hände und das Gesicht des alten Juraj.
Aber Andrejko dachte nicht an den alten Juraj, er hörte Stimmen, die von ferne riefen, sie flehten um etwas, Andrejko lief es kalt den Rücken herunter, was mache ich hier eigentlich, fragte er sich erschrocken, was will ich hier gerade für Geld tun, für das verlauste Gadsche-Geld … Der Stiel rutschte ihm aus der Hand, die Axt fiel zu Boden, und Andrejko erschauerte, erschrocken über die Stimmen, die er nun ganz deutlich hörte, durch seinen Kopf liefen Bilder der letzten |314| Tage und Wochen, er sah Menschen vor sich: Mihalič, die Holzfäller, Anetka mit der Kleinen – und die Stimme, das war doch die Stimme seines Schwesterchens, sie rief nach ihm und flehte … Das genügte ihm. Er bückte sich nach der Axt.
***
Als er über die gerodete Fläche rannte und wie ein Reh über gefällte Stämme und aufgeschichtete Zweige sprang, lachten die Männer und riefen laut: Ja, ist er denn verrückt geworden? – Lasst ihn doch, er ist jung und kann’s nicht abwarten, soll er doch auch was vom Leben haben, rief einer spöttisch. Nur Paľo sah ihm schweigend nach. Aber Andrejko hörte sie nicht, in seinem Kopf hallten die Hilferufe seiner schönen Anetka wider, er hastete den steilen Hang hinab, dann den Bach entlang, nicht mal am Waldrand hielt er kurz inne, sondern rannte gleich weiter über die schlammige Wiese, bis er im Erlenwäldchen unter sich den Wohnwagen sah. Dort beruhigte er sich ein wenig, weil der Rauch so gemütlich nach oben stieg, aber auf einmal tauchte etwas auf, das nicht ins Bild gehörte, eine Gestalt, die sich durchs Gehölz kämpfte und Richtung Dorf hastete … Andrejko stürzte die Wohnwagentreppe hoch und stolperte über das umgekippte Kinderbettchen. Er nahm die weinende Darja auf den Arm, um sie zu trösten, Anetka aber, seine Sonne, seine Blume, lag zusammengekrümmt auf dem Bett, gebrochen und totenblass, sie wimmerte und flüsterte mit heiserer, fremder Stimme: Andrejko, mein Andrejko. Ihr Gesicht und ihre Hände waren blutig, und ihr weißes Kleid war zerrissen und fleckig, als hätte jemand ein Armvoll Hagebutten über weißen Schnee
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