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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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sich die Männer, einer nach dem anderen, nach Hause, nur wenige kehrten ins Wirtshaus zurück. Keiner von ihnen war mutig genug, zur Siedlung zu gehen, sich auf den schlammigen Pfad zu begeben, der gesäumt war von Ebereschen und Heideröschen, deren glänzend rote Früchte noch die kahlen Zweige schmückten, wie Tropfen frisch vergossenen Blutes.
    Wir kannten ihn doch alle, er hat es verdient, so ein Fiesling und Arschloch, sagten die einen und meinten dabei den jungen Jankura. Ein Arschloch war er schon, sagten die anderen, aber er war weiß, einer von uns   … Sie bestellten Schnaps, um sich bis zur Bewusstlosigkeit zu betrinken, um nicht daran denken zu müssen, dass Andrejko noch gestern hier mit ihnen gesessen hatte, dass sie noch gestern gemeinsam mit ihm getrunken hatten   …
    In diesem Augenblick überreichte Paľo Jasenčák seiner Frau Marika die zitternde und vor Kälte steife Darja. Das Mädchen war in Wolldecken eingewickelt, auf dem Kopf trug es Paľos Uschanka, und man sah nur ihre dunkle Nase, an der ein großer Tropfen hing, und zwei erschrockene schwarze Augen. Marika tröstete sie und dachte: Wenn die Polizei Andrejko holt, nehmen sie sicherlich auch die Kleine mit und sperren sie in ein Heim. Da wären sie und Paľo schöne Paten, wenn sie das zuließen.

|321| 25.
    Als auch am nächsten Tag kein Gendarm in Poljana auftauchte, hielten es die Männer nicht mehr aus und machten sich zur Siedlung auf, um Anetka zu holen und nach Andrejko zu sehen.
    Vom Glockenturm der Kirche schlug es eben Mittag, als an der hinteren Friedhofsmauer ein schweigender Zug hielt, dort, wo Ungetaufte begraben wurden, namenlose Fremde, Selbstmörder und all jene, die keinen hatten, der ihnen das Begräbnis bezahlen oder einen Stein oder ein Holzkreuz mit einer Namenstafel aufstellen würde. Hier kam niemand mit Blumen oder Kerzen vorbei, hier lagen die Toten ganz einsam, irgendwo unter ihnen auch Mária, Andrejkos wunderschöne Mama   … Neben dem letzten Grab, das noch nicht mit Gras und Brennnesseln zugewachsen war, schaufelten zwei Männer eine Grube, Dampfwölkchen stiegen aus ihren Mündern, die Erde ließ sich nur schwer bewegen, sie war gefroren und steinig. Neben der Grube stellte man den auf die Schnelle zusammengezimmerten Sarg ab und öffnete den Deckel, damit Andrejko von seiner Liebsten Abschied nehmen konnte. Paľo und seine Frau stützten ihn, sie hielten ihn unter den Achseln, damit er nicht zusammensackte, und als sie ihn vorsichtig losließen, sank er auf die Knie. Eine Weile sah er Anetka ausdruckslos an, dann hob er langsam die Hand und berührte sie sanft. Vielleicht wartete er auf |322| ein Wunder, darauf, dass sie die Augen öffnen und aufstehen würde, sie war doch noch vorgestern so voller Leben gewesen. In jener letzten Nacht hatten sie sich an den Händen gehalten, einander berührt, ihre Hände waren so heiß, dass man in ihnen Kartoffeln hätte braten können   … Am Sonntag würden sie in die Kirche gehen müssen, Paľo hatte es ihnen versprochen, Andrejkos Blick glitt tiefer zum weißen Kleid und zu Anetkas gewölbtem Bauch, in dem ein neues Leben heranwuchs. Aber kein Wunder geschah, sie schien weiter zu schlafen   …
    Er bäumte sich auf und riss sich die Kette seiner Mama vom Hals, küsste das silberne Kreuz und legte es zwischen Anetkas Hände. Dann sank er neben den frischen Erdhaufen, vergrub seinen Kopf darin, schmierte sich mit beiden Händen die nasse Erde auf sein geschundenes, müdes Gesicht, und diese Erde, die sein heißes Gesicht kühlte, roch modrig und feucht.
    Mihalič in Uniform, Paľo Jasenčák in einem fadenscheinigen schwarzen Jackett, der kleine Šaňo und ein paar andere aus dem Dorf standen schweigend herum, fröstelnd zogen sie in der feuchten Kälte den Kopf ein und drehten verlegen ihre Mützen und Hüte in den Händen. Auch der Dorftrottel Fedor war gekommen, er lief von einem zum anderen und sah jedem in die Augen, als wollte er fragen: Warum sagt ihr nichts, warum? Und alle blickten auf den geschundenen Andrejko, wie er neben dem Sarg stöhnte, und sie sahen die zarte Anetka in ihrem weißen Kleid, über das jemand Strohblumen gestreut hatte, allerdings verdeckten die Blumen die rostfarbenen Flecken nicht ganz. Nicht nur Anetkas und Andrejkos Blut war geflossen. Es war auch Gadsche-Blut geflossen, das Blut eines Ruthenen. Verstohlen blickten sie auf ihre Hände hinunter und wischten sie verlegen an ihren Hosen |323| ab, auch wenn sie wussten, dass

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