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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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aufnehmen sollte   … Die Bilder wechselten sich ab und flossen ineinander, die Farben wandelten sich von schwarz und dunkelrot über violett bis zu türkis und wieder zu schwarz, durch die Farben hindurch leuchteten die Umrisse einer zartgliedrigen Gestalt in einem hellen Kleid. Eine junge Frau kam auf ihn zu, und Andrejko erkannte sein liebstes Schwesterchen, das Mädchen mit den Kirschen unter dem dünnen Pullover, die kleine und von niemandem beachtete Kalori, die so gerne tanzte. Er fand es merkwürdig, dass ihr Kleid nicht zerrissen und blutbespritzt war, aber die kleine, weißgekleidete Anetka schritt ruhig voran, sie drückte ein Kindchen an sich, und ihre nackten Füße schwebten über dem Boden, eine dünne goldene Linie umspielte sanft ihren Körper, als strahlte hinter ihr ein Licht. Aber das hier war kein Heiligenbild, das hier war echt. Anetka |318| lächelte traurig, streckte die Arme aus und reichte ihm das Kindchen, dann faltete sie ihre Hände und öffnete sie wieder und blies leicht hinein, als wolle sie eine kleine Feder in die Welt schicken, und alles wurde hell, ihr Körper löste sich auf und verschwand, auch das Licht schwand dahin, und in der sich verdichtenden Dunkelheit explodierten erneut bunte Feuerwerke, aber diesmal bewegten sich die Lichtstrahlen ganz langsam, wie Schirmflieger vom Löwenzahn   …
    Und dann gefroren die Lichter in der Luft. Sie wirkten wie ein breiter bunter Fächer und segelten wie ein Schwarm Leuchtkäferchen zu Boden, wie ein Regen aus Goldpailletten, wie das zarte Laub einer jungen Birke, um schließlich mit der schweren Erde eines zerfurchten Feldes zu verschmelzen. Der Himmel stürzte ein, er wurde rissig wie eine Glasscheibe, nachdem sie ein Stein getroffen hatte, die Risse breiteten sich über dem schwarzen Himmel aus wie ein riesiges Spinnennetz, und auf einmal wurde es ganz hell und dann gleich wieder schwarz, wie in finsterer Nacht.
    In diesem Augenblick tat Anetka in Andrejkos Armen ihren letzten Atemzug, und aus ihren Augen, ihren wunderschönen, großen pechschwarzen Augen, stahl sich der Glanz davon.
     
    Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer und den erschrockenen Dorfbewohnern schnürten sich die Kehlen zu. Schweigend sahen sie zu, wie die Jankuras gemeinsam mit dem jungen Lipčak ins Dorf zurückkehrten, und es lief ihnen kalt den Rücken herunter, weil die Männer, die in ihrem Zorn, nach Blut lechzend und mit Stöcken, Ästen und Steinen ausgerüstet, vorhin zum Wohnwagen gestürzt waren, jetzt gesenkten Hauptes und mit leeren Händen zurückkehrten, jeder für sich, als würden sie sich nicht kennen.
     
    |319| Andrejko öffnete mühsam die Augen und sah das bärtige Gesicht des Försters über sich, von der anderen Seite beugte sich Paľo Jasenčák über ihn und versuchte, ihn auf den Rücken zu drehen. Beide atmeten schwer. Steh auf, die Polizei   … nimm die Beine in die Hand, schnell! Sie richteten Andrejko auf, aber er zeigte bloß auf Anetka, die mit ihrem weißen, blutigen Kleid bedeckt neben ihm lag. Ihre Augen waren geschlossen, sie sah aus, als würde sie schlafen   … Paľo musste ihr die Augen zugedrückt haben   … Du Idiot, schrie der Förster, nimm die Kleine und lauf, er rüttelte Andrejko, versuchte, ihn von Anetka loszureißen, aber Andrejko schrie: Nein   … nein   … lasst mich los   … geht weg   … Eine Weile kämpften Mihalič und Paľo mit ihm, aber dann gaben sie auf, wortlos ließen sie ihn wieder zu Boden gleiten und setzten sich draußen auf die Treppe. Schweigend rauchten sie eine Zigarette, dann stand Paľo auf, klopfte Mihalič auf die Schulter und schwankte schwerfällig ins Dorf.
    Der eisige Wind drang bis ins Mark, und ein Regenguss schüttete eimerweise feine Tröpfchen aufs Dach des Wohnwagens. Als sich der durchgefrorene Förster erhob, dämmerte es schon.
    So sonderbar es auch war, kein Gendarm ließ sich in der Siedlung blicken.
    ***
    Im Dorf war es still, die Männer in der Schenke sahen schweigend aus dem Fenster, draußen tobte der Wind, es nieselte. Erst als sich die Nacht über das Tal senkte, erblickten sie draußen eine dunkle Gestalt in einem langen Mantel, am Gewehr erkannten sie Mihalič. Der Förster hatte es eilig, ein paar Männer standen auf und gingen ihm entgegen, sie |320| trafen vor der Kirche aufeinander. Mihalič blieb stehen. Man sah von Weitem, wie er etwas erzählte und immer wieder in die Richtung deutete, aus der er gekommen war. Nach einer Weile stahlen

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