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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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dieses Haus das richtige war. Aber ein Irrtum war ausgeschlossen. Verwundert, unglücklich und ratlos drückte er seine Geige an sich, er konnte es immer noch nicht fassen, dass hinter den vernagelten Fenstern weder die Tante noch Jolanka auf ihn warteten und dass auch Anetka, seine kleine Cousine, nirgends zu sehen war.
    Andrejko lugte in Durchgänge und Innenhöfe hinein, streichelte die Wände, tätschelte die abgegriffenen Klinken und suchte und suchte, bis er selbst nicht mehr wusste, wonach eigentlich.
    Außerdem war er sehr hungrig, aber auf der Straße betteln oder in der Straßenbahn klauen, das wollte er nicht mehr   … Eine Weile streifte er durch die Gegend, und als es dunkel wurde, kletterte er auf das Gerüst, brach ein paar Bretter weg und schob sich mit pochendem Herzen durchs Fenster. Er tastete sich durch Haufen von Müll und kaputtem Zeug bis zur Pawlatsche, dort schreckte er aber vor dem umgestürzten Geländer zurück, das zum Teil frei über dem Hof schwebte, er presste sich gegen die Wand und spähte in ausgetretene Türen hinein, schließlich ließ er sich in einem Raum auf ein Sofa fallen. Die rostigen Federn quietschten und jaulten, eine Staubwolke stieg auf und Andrejko musste husten, aber da fielen ihm auch schon die Augen zu   …
    Es war noch dunkel, als ihn Kälte und nagende Bauchschmerzen weckten. Er kletterte aus dem Haus und lief auf die Hauptstraße. Vor einem Laden sah er die Kisten mit der Frühlieferung stehen, rasch stopfte er sich einen Laib Brot |129| und ein paar Hörnchen unters T-Shirt , schnappte sich eine Tüte Milch, und schon war er wieder weg, sah sich vor dem Haus noch einmal um und kletterte aufs Gerüst. Nachdem er die aufgebrochenen Bretter wieder ordentlich zusammengelegt hatte, erlaubte er sich, Luft zu holen, und erst dann stürzte er sich auf sein Frühstück. Er brach die Kruste vom duftenden und noch warmen Brot ab, stopfte sich mit den knusprigen Hörnchen voll und trank so gierig, dass ihm die Milch über das Kinn floss.
     
    Das Haus glich einem Spukschloss, es schien nur aus Spinnweben, Müll und Schutt zu bestehen, die Decken waren rußgeschwärzt, in den Wänden klafften Löcher von herausgerissenen Türen und Fenstern, jeder Schritt wirbelte Wolken von Staub auf. Am befremdlichsten aber war die Stille, die nur von dem Getrippel der Ratten unterbrochen wurde. Andrejko durchstöberte das ganze Haus, er fand auch das Zimmer, in dem sein und Jolankas Bett gestanden hatte, das Bett, in dem Anetka, die kleine Kalori, geboren worden war und der alte Laco mit der Silbermähne und den tiefen Falten im Gesicht gestorben war. Andrejko sah es noch genau vor sich, wie ihn die Männer an den Tisch gesetzt und ihm Schnaps eingeflößt hatten, damit er es leicht hatte auf seinem letzten Weg   … Unter der Pawlatsche lag ein Haufen Asche, und irgendwo unten hörte Andrejko eine Tür in den Angeln quietschen, womöglich die einzige Tür, die im Haus verblieben war, vielleicht sogar die, an die der schwarze Kater der alten Procházková genagelt worden war   … Er schlich vorsichtig die morschen Stufen hinunter, sein Herz pochte laut, überall sah er den greisen Laco sitzen, aus jeder Ecke hörte er den Kater kraftlos flehen   … Aber da fielen ihm die Augen schon wieder zu, und da er das Zimmer mit dem Sofa wiederfand, |130| auf dem er die vorangegangene Nacht verbracht hatte, legte er sich schlafen.
    Als er aufwachte, war er froh, dass die Nacht vorbei war. Doch kaum hatten sich seine Augen an das Licht gewöhnt, schrie er zu Tode erschrocken auf: Ein furchterregendes Gesicht beugte sich über ihn, ein Alter mit langem, zerzaustem Haar, unterhalb des fettigen Bartes entdeckte Andrejko einen schmuddeligen braungrauen Lodenmantel. Am fürchterlichsten jedoch waren seine Zähne, schwarz und ausgehöhlt wie der Stamm einer entwurzelten Weide.
    Das ist mein Schlafplatz, sagte der Alte leise und setzte sich neben ihn. Andrejko richtete sich schnell auf und hielt Ausschau nach einem Fluchtweg, aber der Mann wirkte nicht so, als würde er ihm etwas antun wollen.
    Das ist mein Zuhause, sagte Andrejko, und sah ihm in die zusammengekniffenen, müden Augen.
    Meines auch, sagte der Alte langsam und lächelte verlegen. Und erst in dem Moment fiel Andrejko auf, dass neben dem Sofa auf dem Boden eine Kerze in einem roten Becher stand und daneben eine Bierflasche mit abgebrochenem Hals lag, außerdem ein zerknülltes fettiges Stück Papier und ausgetretene Latschen ohne

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