Mach mal Feuer, Kleine - Roman
lange Fahrt und die harte Arbeitswoche in der Schenke herunter und schleppten sich am Samstag verkatert ums Haus. Dann stopften sie das löchrige Dach, ölten die quietschenden Türen und töteten ein Kaninchen für den Sonntagsschmaus, häuteten es und nahmen es aus, am Nachmittag hackten sie Holz und schauten bei Freunden auf ein Schwätzchen herein. Am Sonntag gingen sie im Feststaat in die Kirche
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nach dem Mittagessen legten sie sich zu einem kurzen Nickerchen hin und schon standen sie wieder an der Bushaltestelle, um bis zum nächsten Morgen ihr Wohnheim in Košice, Bratislava oder Prag zu erreichen. Dort warfen sie das kleine Köfferchen mit einem Stück Speck, einer Flasche Schnaps und einem sauberen Hemd aufs Bett und eilten zu ihrer Baustelle. Ihr Nomadenleben nahmen sie ganz selbstverständlich hin, wie Zugpferde, die vor einen schweren Karren gespannt sind, sie wussten ja, dass ihr Lohn von der Frau und von den Kindern zu Hause benötigt wurde, sie wussten, dass es daran nichts zu rütteln gab …
Wenn ein Neugeborenes in der Kirche getauft wurde, war es nicht mit ein paar Tropfen Weihwasser getan. In Poljana |121| musste das Kind im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes mit dem ganzen Körper in das kühle Taufwasser getaucht werden … Und wenn ein Mensch starb, senkten alle die Köpfe und sagten,
Pán dal, Pán vzal,
der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, denn ähnlich wie nach einem anstrengenden Tag auf dem steinigen Feld, im Wald oder Betonmischwerk die Zeit der Ruhe kam, so kam eines Tages auch die Zeit zu sterben. Den Toten wusch man eigenhändig, man kleidete ihn an, zahlte den Sarg und bereitete den Leichenschmaus für alle Dörfler, und das abgedroschene Gefasel eines Trauerredners oder ein künstliches Blumengesteck vor der kühlen Marmorwand eines Kreiskrematoriums fehlte niemandem.
Als Andrejko von einer seiner Wanderungen nach Hause zurückkehrte, trat eben ein Trauerzug aus der Kirche heraus, ganz vorne der Geistliche mit einem Kreuz in der Hand, hinter dem Sarg Mihalič mit seiner Frau Paraska, dicht dahinter Juraj Bielčik … An jenem Tag trank Juraj weit über den Durst, noch in der Schenke mussten ihn die Männer wach rütteln, und als sie ihn durchs Dorf nach Hause schleppten, torkelte Paľo Jasenčák mit einem Eimer kalten Wassers neben ihnen her, aus dem er Juraj immer wieder begoss. Der Anblick des besinnungslosen Juraj machte Andrejko angst, ihm wurde ganz sonderbar zumute, er zitterte am ganzen Leib. Alle paar Stunden sah Paľo nach, ob Juraj noch atmete. Schließlich schaffte er ihn mit Andrejko ins Bienenhaus, sie legten ihn auf den Boden und lehnten seinen Kopf gegen den summenden Bienenstock. Erst dort, bei seinen geliebten Bienen, kam der Alte nach seiner rasenden Trinkerei wieder zu sich.
Auf dem Friedhof, in einem Häufchen frischer Erde wurde ein Holzkreuz aufgestellt, ein schlichtes Kreuz mit Datum und zwei Wörtern: Dmitrij Demčak.
|122| Andrejko wanderte häufig in der Gegend um das Dorf. Manchmal verirrte er sich bis auf die Bergwiesen des Čierťaž, die von mickrigen, zu klein geratenen Ebereschen, Ahornbäumen oder Buchen mit windgekrümmten Baumkronen gesäumt waren, manchmal landete er in Borsučiny, zwischen einsamen Kirschbäumen, wild wachsenden Apfelbäumen und dichtem Unterholz, das vorwiegend aus Hagebuttensträuchern und Schneeballbüschen bestand. Auf den Wiesen ragten riesige Heuschober empor, zum Bersten voll mit Heu, das die Dörfler in den Sommermonaten getrocknet hatten, und Andrejko, berauscht von dem schweren Duft, wurde dort häufig vom Schlaf übermannt. Manchmal wachte er erst in der Nacht vom Geraschel der Mäuse auf, lag dann bis zum Morgengrauen wach und horchte auf die Schreie der Eule. Die Geräusche des Waldes jagten ihm nun keine Angst mehr ein, er fürchtete sich nicht mehr vor der Dunkelheit. In langen Herbstnächten lauschte er den endlosen Sinfonien und Sonaten, die der Regen aufs Dach trommelte.
Einmal, als Andrejko neben Juraj auf einer Lichtung saß und den Harzduft der frisch gefällten Bäume einsog, ermahnte ihn Juraj, immer daran zu denken, welch wichtige Rolle Holz im menschlichen Dasein spiele, denn es begleite den Menschen von der Geburt bis zum Tod. Aus Holz werde die Wiege gezimmert, der Tisch, die Stühle und das Bett, und im Winter spende es Wärme, gleich zweimal sogar, beim Hacken und wenn es im Ofen brenne. Ohne gutes, hartes Eichenholz wäre nicht einmal ein
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