Mach mal Feuer, Kleine - Roman
dass man selbst auf dem Fußboden schlafen und hungrig bleiben müsste. Der Ehemann war der Herr im Hause und seine Worte waren das Gesetz. Und nur wer seine herumtollenden Kinder zusammenfaltete oder seine Frau blutig schlug, nur der war ein ganzer Kerl … Wenn Štefan tobte, betrunken die Möbel klein schlug oder irgendwo bei den Nachbarn ein weiteres Kind zeugte, zu einem Zeitpunkt also, wenn eine Gadsche-Frau bereits nach einem Anwalt Ausschau gehalten hätte, in einem solchen Moment waren die Dunkas besonders stolz auf den Papa …
Früher war Štefan ja auch ein ganzer Kerl gewesen, war unter Tage gefahren, hatte sich die Invalidenrente besorgt und zu Hause die Zügel in der Hand gehalten, er war es gewohnt, auf dem Kutschbock zu sitzen und mit der Peitsche zu knallen. Aber diesmal war nichts zu machen, die Wohnung gehörte Majka, und sie ließ Štefan nicht über die Schwelle, Gesetz hin, Gesetz her. Ida drohte manchmal mit geballter Faust zur Tür: Er hat mein Leben kaputt gemacht, dieses Arschloch … Dann wieder weinte sie: Wo soll der Arme bloß hin, was soll er tun …
Soske o Del marel miro kalo jilo
, warum bestraft Gott mein schwarzes Herz so hart, jammerte Ida. Warum?
Als sie eines Abends wieder musiziert und getrunken hatten, fühlte auch Majka gegen Morgen Schmerz und Traurigkeit in sich aufsteigen, und sie ließ das langsame, lang |152| gedehnte
Joj mamo, joj mamo, bokhaľi som
erklingen. Sie sang allein, ohne Geige und ohne Akkordeon, und auf einmal fiel auch Ida ein, Ida mit ihrer glasklaren Stimme, zu viel Kummer hatte sich in ihr aufgestaut, etwas in ihr war zersprungen und suchte sich einen Weg nach draußen. Idas kehlige Stimme sprudelte aus ihr heraus, als wäre auf einer Baustelle eine Dampfleitung geplatzt, als wäre ein schmerzendes Herz zerborsten und wäre nun durchlässig wie ein offenes Fenster in schwarzer Sommernacht. Als wäre es nicht einmal sie, die hier sang, sondern jemand anders, als wäre Ida jenes sperrangelweit offene Fenster … Alle saßen wie erstarrt da, keiner sagte etwas. Die Männer, die die schwere Arbeit in der Metallfabrik gewohnt waren, weinten wie kleine Kinder, und die Stimmen beider Schwestern stützten sich gegenseitig, schlangen sich umeinander, um sich sogleich wieder voneinander zu lösen, unruhig flackerten sie durch die dunkle Nacht wie zwei Glühwürmchen über einem Sumpf, wie zwei Irrlichter über einem unendlich tiefen Tal aus Schmerz und Kummer, wie die letzten zwei Sterne am Himmel.
Joj mamo, joj mamo, bokhaľi som …
Als die Kinder am nächsten Tag aus der Schule kamen, bemerkten sie schon im Treppenhaus, dass etwas nicht in Ordnung war. Die Tür stand offen und in der Wohnung war niemand, als hätten die Mama oder die Tante bei den Nachbarn ein paar Eier oder eine Handvoll Salz borgen wollen und wären gleich dageblieben. Die Kinder setzten sich ans Fenster und ließen die Tür offen, damit die, auf die sie warteten, nicht klopfen mussten …
Es war schon dunkel, als Ida endlich auftauchte, sie hatte verweinte Augen und schluchzte, dass Majka im Krankenhaus liege, der Abfüllmeister aus der Brauerei sei vorbeigekommen |153| und habe erzählt, dass Majka die ganze Schicht hindurch wie verliebt in die Ferne gestarrt hätte, bis sie von einem Bierlaster gegen die Rampe gedrückt worden sei, man habe sie gleich operiert, aber es sehe nicht gut aus, jammerte Ida, sie schlug sich gegen den Kopf und schloss sich in der Küche ein, von dort hörte man sie mal klagen, dann wieder laut lachen, als wäre sie von Sinnen, die erschrockenen Kinder standen am Fenster und spähten hinaus, sie schielten zur Tür, wann endlich Tante Majka komme, die hatte hier doch noch am Abend zuvor getanzt, sich mit über den Kopf erhobenen Armen im Kreis gedreht und auf den Boden gestampft, so dass ihre Brüste auf und ab hüpften.
An dem Tag war es ganz still im Haus. Alle liefen auf Zehenspitzen. Andrejko streichelte Demčaks Geige, legte sie ins Futteral und schob sie unters Bett.
Am nächsten Morgen klingelte der Briefträger und händigte Ida ein Telegramm aus. Majka war gestorben.
Als hätte jeder im Haus, ob Roma oder Gadsche, binnen einer Sekunde einen gesunden Zahn verloren oder eine Hand amputiert bekommen, so schmerzte die unsichtbare Wunde. Der Anblick von Majkas Bett schmerzte sie, ihre zur Seite geschobene Bettdecke, die sich Ida nicht wegzuräumen traute. Der Stuhl, auf dem sie immer gesessen hatte, ihre Schuhe im Flur. Die
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