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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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auf zu schreien.
    Štefan war davon ausgegangen, bei seiner Frau und seinen Kindern einziehen zu können und sich wie gehabt um die Familie zu kümmern: Streite schlichten, das Kindergeld versaufen und sich dafür großen Respekt erweisen lassen. Diese Rechnung aber hatte er ohne Idas Schwester gemacht. Majka kannte ihn nur zu gut, und gleich sprudelte sie los, über die Mieter habe sie allein zu bestimmen, weil es ihre Wohnung |149| sei, er könne froh sein, dass sie Ida mit den Kindern aufgenommen hatte, und wenn er ein ganzer Kerl sei, dann solle er sich kümmern und eine Bleibe für sie alle finden, wo er schon so blöd gewesen war und sich die Prager Wohnung hatte nehmen lassen   … Wie brennende Pfeile bohrten sich Štefans Blicke durch Andrejko, der sich neben der Tür duckte. Da Majka nicht mit sich reden ließ, versuchte Štefan es auf eine andere Tour und zog ein paar zerknitterte Papiere aus der Tasche, offizielles Zeug mit bedrohlich wirkendem Staatswappen, er hämmerte auf den Tisch und schrie, sie müsse ihn bei sich aufnehmen, dafür gebe es Paragrafen, aber Ida nahm ihm die Papiere aus der Hand und buchstabierte dem fassungslosen Štefan vor, dass er sich innerhalb von drei Tagen bei der nächsten Polizeistelle zu melden habe, mehr stünde nicht in den Papieren, und Majka fügte noch hinzu, er solle sich beeilen, denn der dritte Tag sei schon gestern gewesen   …
    Dieser Scheißbengel, sogar das Lesen hat er ihr beigebracht! Štefan verlor die Nerven und ballte wütend die Hände zu Fäusten, seinetwegen haben wir schon die Bude verloren. Diese beschissene Schule, die hat ihnen die Seele geraubt und den Respekt vor Autoritätspersonen genommen   … Andrejko flüchtete vor dem Onkel ins Treppenhaus.
     
    Majka ließ Štefan in Andrejkos Bett übernachten, aber am nächsten Morgen, als die Kinder zur Schule gegangen waren, stellte sie seinen Koffer vor die Tür. Štefan diskutierte und flehte, er drohte, jeden Einzelnen umzubringen: Majka, ihr Luder von Schwester und die Gören auch, es seien sowieso zu viele, wer wisse schon, ob es überhaupt seine eigenen seien   … Er wütete und Ida zitterte am ganzen Leib, sie zupfte Majka am Ärmel, handelte sich aber nur einen bösen Blick ein. Majka schob Štefan ins Treppenhaus und knallte die |150| Tür zu.
Khatal avľal, odoj dža!   … Džanes khatal khere te džal? Ta siďar!
… Scher dich dahin zurück, wo du hergekommen bist!, schrie sie durch die Tür. Komm wieder, wenn du eine Bleibe aufgetrieben hast, wenn du auch für die anderen was besorgt hast   …
    Und Štefan begriff, dass er diesmal leer ausgehen würde, weil das Geld, das er im Knast bekommen hatte, längst versoffen war, und seine Invalidenrente, die hatte er auch nicht mehr. Er lief durch die Straßen, trat wütend gegen Autos und warf Mülltonnen um, das war unerhört, früher wäre so was gar nicht möglich gewesen   … Eine Zeit lang lungerte er am Bahnhof und in den Kneipen von Petrohrad herum, bettelte um Geld für eine Fahrkarte, aber man wich ihm schon von Weitem aus, denn man hatte Angst vor ihm. Keine Angst vor ihm hatten allerdings die Bullen, die waren hinter ihm her wie Wespen hinter einer überreifen Birne, sie wollten ihn gar nicht in Ruhe lassen. Ein paarmal versuchte Štefan, die Wohnungstür aufzubrechen, manchmal passte er nachmittags vor der Schule die Kinder ab, beschwor sie und drohte ihnen, aber die Kinder rannten weg.
    Eines Tages riss den Nachbarn der Geduldsfaden, sie passten ihn im Treppenhaus ab, schlugen ihn grün und blau und warfen ihn schließlich auf die Straße. Štefan zog sich zum Bahnhof zurück, schlief in abgestellten Waggons, und tagsüber schlich er um die Imbissbuden herum, wo er sich mit den Pennern um die Reste schal gewordenen Biers in den Plastikbechern prügelte. Als man ihn wieder einmal der Bahnhofshalle verwiesen hatte, kehrte er durch den Hintereingang auf den Bahnsteig zurück und stieg in den ersten Zug ein, der vor seiner Nase hielt.
    Seitdem hat man nie wieder etwas von ihm gehört.
     
    |151| Tante Ida lief herum wie ein Körper ohne Seele. Sie glaubte und hoffte geradezu, dass Štefan und sie wieder zusammenkommen würden, so etwas war bei den Dunkas noch nie passiert, dass eine Frau ihrem Mann weggelaufen wäre oder ihn gar auf die Straße gesetzt hätte. Es war nicht einmal üblich, jemanden draußen schlafen zu lassen, man nahm jeden auf und setzte ihm alles vor, was man im Hause hatte, auch wenn das bedeutet hätte,

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