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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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stehen, ein kleiner Zigeunerjunge mit Mitro Demčaks Geige in der Hand, vor ihm wogte ein blaues Meer von Pionierhemden, durchwirkt von roten Halstüchern   … Da machte er rasch die Tür wieder zu und flitzte schnell auf die Straße.
    Zu den Pionieren und den kleinen Gadsche gehörte er nicht, aber zu seinen Leuten, zu denen gehörte er auch nicht. Die Romajungen, die durchs Viertel stromerten, waren ihm genauso fremd. Sie lungerten vor den Schaufenstern herum oder wieselten durch die Hinterhöfe, über Mülldeponien und Schuttabladeplätze, sie wussten, wo was abging, und wenn Gefahr in Verzug war, brauchten sie nur einmal zu pfeifen, und schon schwärmten ihre älteren Brüder und Cousins auf die Straße hinaus, um für Ordnung zu sorgen. Wehe einem Gadsche, der einer kleinen Rotznase kein Geld für ein Eis oder eine Kinokarte geben wollte! Der musste sich meistens gleich von seinem Portemonnaie und seiner Armbanduhr verabschieden, denn zu kleinen Kindern sollte man nett sein   …
    Diese Jungen mochten Andrejko nicht. Er zog nicht mit ihnen durch die Straßen, die Hände tief in den Taschen vergraben, er wollte nicht wie sie seine aufgestaute Wut und Aggression an den anderen abreagieren, er pfiff nicht, wenn es ihm an den Kragen ging, und er zerschlug keine Fenster und bediente sich nachts nicht heimlich in den Läden. Andrejko war nie gemeinsam mit ihnen durch die Straße getorkelt, betrunken von Apfelwein mit einem Schuss Fensterputzmittel, er hatte sich nicht gemeinsam mit ihnen nach seiner ersten Zigarette übergeben, hatte keine Lösungsmittel geschnüffelt und keine Kopfschmerztabletten an die anderen verteilt. |175| Deswegen mochten sie ihn nicht. Die Schule schwänzte er zwar genauso wie sie, das schon, aber er ging nicht ins Kino oder zum Kiffen in die Unterführung, ihn zog es an einen Fluss, an die Radbuza oder die Úslava, dort lief er stundenlang am Ufer entlang oder sah der trüben Strömung zu und lauschte den Zügen, die über die Stahlbrücke donnerten. Die anderen lachten ihn nur aus, sie fanden Andrejko durchgeknallt und feige.
    In seiner zu früh erwachsenen Seele tickte ein anderes Uhrwerk, dem musste er folgen. Vielleicht war damals, als Onkel Fero ihn nach Prag gebracht hatte, etwas in ihm beschädigt worden, vielleicht auch erst später, als er nachts über den Anstaltszaun geklettert und über das Feld gerannt war, vielleicht waren erst beim alten Juraj Andrejkos Weichen neu gestellt worden, auf jeden Fall brauchte er keine Clique, um sich dadurch weniger einsam zu fühlen. Für einen echten Freund hätte er allerdings sein Leben gegeben   … Die Mädchen, die ganze Tage zusammenhockten und tratschten, wer mit wem, hielten Ausschau nach Jungen, die sie ins Kino oder in die Konditorei einladen würden, aber diese Mädchen fanden ihn nicht interessant genug, und er machte einen großen Bogen um sie und dachte an Jolanka, die man aus seinem Leben herausgerissen hatte, und an Tereza, die unter der Bank an ihrem langen Schal strickte.
    Jolanka jedoch und all die wunderschönen Mädchen mit ihren träumerischen Blicken, deretwegen er morgens auf einem feuchten Bettlaken aufwachte und die sein Leben zwar nur flüchtig gestreift, aber tiefe Furchen und verbrannte Erde hinterlassen hatten, sie wandelten auf anderen Pfaden als er, und die wahren Freunde, nach denen er suchte, hockten nicht am Fluss und lauschten den Zügen, sie waren irgendwo in der Ferne   …

|176| 14.
    Marketas Augen waren blau wie Vergissmeinnicht, sie hatte Sommersprossen und ihr Haar leuchtete wie ein reifes Getreidefeld, sie trug einen Pullover, der ihr fast bis zu den Knien reichte und rauchte Zigaretten von ihrem Papa. Andrejko lernte sie im Sommer in České-Údolí am Stausee kennen, wo man keinen Eintritt zahlen musste und den er deswegen gerne mit den Kleinen besuchte. Anetka und Tibor spielten mit den anderen Kindern Fangen und stolperten immer wieder über die Nachbardecke, auf der sich ein paar junge Mädchen sonnten. Pass besser auf deine Rabauken auf, ranzten sie Andrejko an, und er stand da wie ein begossener Pudel und fühlte sich in seiner Badehose wie nackt   … Zum Glück zogen bald dunkle Wolken auf, und alle rafften ihre Sachen zusammen, wurden aber trotzdem bis auf die Haut nass. An der Endhaltestelle der Straßenbahn trafen sich Andrejko und Marketa wieder, lächelten sich zum ersten Mal etwas verlegen an und stellten fest, dass sie an derselben Station aussteigen mussten. Der Funke sprang

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