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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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Liebsten, diesen Gipfel, den sie gemeinsam erklommen hatten, und die Sonne. Das war alles   …
    Während sie leise atmend und ineinander verflochten in einen gnädigen Schlaf fielen, lugten die ersten Sonnenstrahlen durch die Türritzen hinein, und im Dorf schippte man den Schnee weg, damit die Menschen zur Straße und zum Stall gelangen konnten, um ihren Schafen und Kühen frisches Wasser und Heu zu bringen.

|258| 20.
    Gleich am nächsten Sonntag machten sie sich auf den Weg zur Kirche von Poljana. Statt der Hochzeit, sagten sie, als sie durch das Dorf liefen, wer würde uns schon die Hände mit einem Tuch zusammenbinden, uns Wein oder Schnaps in die hohle Hand gießen, wer würde uns auftragen:
Dživen tumen dar odi kaľi phuv le kale mareha,
lebt zusammen wie die schwarze Erde mit dem schwarzen Brot   … Es würde eine stille
mangavipen
sein, ohne Geschwister und Cousins, ohne Tanten und Onkel von werweißwelchem Verwandschaftsgrad, ohne Musik, ohne angebrochene Flaschen und Platten voller Fleisch, es würden keine Männer mit Messern aufeinander losgehen, keine seit Jahren miteinander verfeindeten Familien sich versöhnen   … Ein wenig bedauerte es Anetka schon, dass sie nicht auf den Tisch springen, ihr Kleid hochraffen und ihre Schuhe mitten in die erhitzte Menge schleudern würde, damit sie beim Tanzen nicht störten   … Sie gingen Hand in Hand, eng aneinandergeschmiegt, und unter ihren Füßen knirschte der frisch gefallene Schnee.
    Als sie so unerwartet in der Tür standen, verstummten alle. Die Stille im Raum hätte man mit Händen greifen können, selbst der Pope zog beim Anblick von Anetkas rotem Pullover eine Augenbraue hoch; inmitten der hochgeknöpften schwarzen Kleider und Anzüge der Dörfler fiel sie auf wie Klatschmohn im Getreidefeld.
    |259| Die Kirche war schmal wie ein Handtuch, mit einer niedrigen Tür und einer hohen Schwelle aus Eichenholz, so dass sich jeder beim Eintreten tief verneigen musste. Die engen Fenster, die in die aus massiven Holzbalken gezimmerten Wände eingelassen waren, ließen kaum Tageslicht ins Innere, und die Luft war durchtränkt vom Geruch des hundertjährigen Holzes. An der vorderen Wand hingen Heiligenbilder, vor denen sich die Menschen bekreuzigten, sie knieten nieder und standen wieder auf, küssten die Bilder und zündeten dünne Kerzen an. Dann öffnete der Pope in der Mitte dieser Wand eine Tür und begann mit dem Gottesdienst. Er kniete vor dem Altar, man sah nur sein weißes Gewand und das goldene Kreuz auf seinem Rücken, er war nicht den Menschen zugewandt, sondern kniete vor ihnen wie ein Matrose am Bug eines Schiffes, das sich seinen Weg durch eine frostige Nacht bahnt   … Er sprach nicht, sondern er sang, und die versammelten Menschen antworteten ihm singend:
Isús Spasíteľ, Bohoródica a svjátyj Michaíl archáňhel   …
Jesus der Erlöser, die heilige Mutter Gottes und der heilige Erzengel Michael.
    Die Poljaner standen dicht nebeneinander, antworteten im Chor
Hóspodi pomíluj
, Herr erbarme dich, und sangen, die schwarz gekleideten Männer im tiefen Bass und ihre Frauen in den Kopftüchern fielen ein und sangen die zweite oder gar dritte Stimme. Andrejko stockte der Atem, denn ihre Stimmen erinnerten in nichts an die gehässigen Weiber aus dem Lebensmittelladen, sie hatten gar nichts mit ihnen gemein   … Andrejko erschauerte, und seine Seele stieg empor, der dreistimmige Gesang überwältigte ihn, er schien aus uralter heidnischer Zeit zu stammen, als hier im heiligen Hain noch Wahrsagerinnen nach Zauberkräutern suchten.
    Die Luft in der Kirche war gesättigt mit dem Geruch nach Weihrauch, Schweiß und feuchter Kleidung, der Pope sang: |260|
Zastupí, spasí, pomíluj i sochraní nas, Bóže, Tvojéju blahodátiju
… und die Menschen antworteten mit
Hóspodi pomíluj
, Anetka und Andrejko drückten sich in eine Ecke, und als sich zum Schluss alle die Hände reichten, um in Frieden auseinanderzugehen, wie es der Pope von ihnen wünschte, wussten sie nicht einmal, was nun von ihnen erwartet wurde.
    Es gab aber auch welche unter den Poljanern, die den beiden nicht die Hand geben wollten, die sich abwandten oder in eine andere Richtung sahen. Ein Junge lief mit einer Stange durch die Kirche, an der ein Lederbeutel befestigt war, er sah wie ein Obstpflücker aus, aber sein Beutel mit den vergoldeten Quasten war nicht für Äpfel gedacht, sondern für Geld, einige Menschen schoben ihre paar Münzen, die sie schon die ganze Zeit in

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