Mach mich nicht an
Er vermisste das Nachtleben in der City schon seit Jahren nicht mehr, aber das Wissen, dass Annabelle hier irgendwo herumschwirrte, ließ sein Herz vor Aufregung und Vorfreude schneller klopfen. Er gestattete sich zum ersten Mal in seinem Leben, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass er einen anderen Menschen brauchte - und er würde alles tun, um ihr das zu beweisen. Aber erst musste er noch ein Hindernis aus dem Weg räumen.
Er klapperte nacheinander Yanks Wohnung, seine Lieblings-Sportbar und sogar Lolas Wohnung ab, doch vergeblich. Schließlich begab er sich zum Hot Zone- Büro und stellte fest, dass Yanks Wagen dort wie üblich auf dem VIP-Parkplatz stand. Vaughn nahm den Lift nach oben und fragte sich, weshalb der Alte um diese Uhrzeit wohl noch hier sein mochte. Wahrscheinlich lief Yank genau wie er selbst vor seinen Ängsten davon.
Die Aufzugtüren öffneten sich, Vaughn trat in die von Neonleuchten erhellte Lobby von Hot Zone, die sich öd und leer vor ihm erstreckte. Bis auf Yanks Büro waren alle Räume dunkel - Annabelle befand sich also nicht mehr hier, aber vielleicht war das ohnehin besser so. Er hatte nämlich noch etwas zu erledigen.
Er klopfte an die offene Tür, um Yanks Aufmerksamkeit zu wecken, der, die Füße auf dem Schreibtisch, vor sich hindöste.
Yank schreckte auf. »Ich schwöre, ich habe dieses Höschen noch nie gesehen«, stammelte er, nahm hastig die Beine vom Tisch und setzte sich aufrecht hin.
»Du bist wohl mehr als einmal bei einem Seitensprung erwischt worden, wie?«, bemerkte Vaughn lachend.
»Verflucht, ich muss geträumt haben.« Der Alte strich sich mit der Hand über den struppigen Bart. »Der schlimmste Albtraum eines Mannes ... Den habe ich in letzter Zeit öfter«, murmelte er.
»Das macht das schlechte Gewissen«, erklärte Vaughn mit Bestimmtheit. »Du kannst dich nicht damit abfinden, dass du die Frau deines Lebens einfach hast gehen lassen.«
Yank winkte Vaughn herein und bedeutete ihm, Platz zu nehmen.
»Ich nehme mal an, du sprichst aus Erfahrung, mein Lieber.«
Vaughn hielt Yanks allwissendem Blick stand. »Da könntest du Recht haben«, gab er zu.
»Wusste ich‘s doch, dass Annies süße rote Lippen nicht die Wahrheit sprachen.«
»Ach, ja? Was hat sie denn gesagt?« Vaughn beugte sich neugierig nach vorn.
»Sie wollte mir weismachen, dass nicht du sie verletzt hast, sondern sie dich, indem sie dir in Greenlawn den Laufpass gab. Aber ich ahnte bereits, dass das nicht stimmte; ich konnte es an ihren Augen sehen. Sie wollte dich lediglich beschützen - nicht, dass du es verdient hast, du mieser kleiner -«
Vaughn hob eine Hand, um Yank Einhalt zu gebieten. »Das hatten wir doch alles schon. Und ich werde dir auch diesmal nicht widersprechen. Ich bin hier, um die Dinge in Ordnung zu bringen.«
»Und wie willst du das anstellen, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich Yank.
»Indem ich zu Annabelle gehe und mit ihr rede. Aber zuerst musste ich zu dir.« Vaughn schob verlegen, aber entschlossen die Hände in die Hosentaschen. »Du bist für mich wie ein Vater und es tut mir Leid, dass ich dich vor all den Jahren verraten habe. Ich bin froh, dass wir uns versöhnt haben und ich würde alles tun, um dir das zu beweisen. Alles bis auf eines - ich kann nicht ohne Annabelle leben. Ich liebe sie, ich brauche sie und ich will sie heiraten«, stieß er hastig hervor, ehe ihn der Mut verlassen konnte.
Yank erhob sich und marschierte mit einem Funkeln in den Augen auf Vaughn zu. »Ach ja? Du kannst also nicht ohne sie leben? Das sind ja tolle Neuigkeiten!«
Vaughns Kehle fühlte sich plötzlich trocken an. Zwischen seinem Mentor und der Frau, die er liebte, wählen zu müssen, war wirklich das Letzte, das er wollte, aber wenn es so weit kam, würde er sich ohne zu zögern für Annabelle entscheiden. Zugegeben, an Anfang ihrer Beziehung hatte er geschworen, die Finger von ihr zu lassen, aber das hatte sich grundlegend geändert.
»Ich habe da nur noch eine Frage.« Yank klang stinksauer.
»Die da wäre?«
»Wer zum Teufel hat dich denn gebeten , dich von ihr fern zu halten? Soweit ich mich erinnere, habe ich dir doch klipp und klar gesagt, dass meine Nichte einen anständigen Mann braucht - einen, der bei ihr bleibt und sie nicht verlässt, denn das ist ihre allergrößte Angst.« Yank packte Vaughn unsanft mit der Hand an der Schulter und schüttelte ihn. »Damit warst du gemeint! Aber nein, du hast dich natürlich nicht angesprochen gefühlt. Du hast dich
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