Mach mich nicht an
auch später noch erläutern.
»Ich habe zwar keinen akademischen Hintergrund« - dass sie einen Uniabschluss hatte und graduierte Betriebswirtin war, musste sie seiner Mutter ja nicht auf die Nase binden - »aber ich würde gern zu einer Dinnerparty gehen. In diesem Nest gibt es ja sonst keinerlei Nachtleben.« Sie packte Vaughn am Arm und drückte ihn. »Ach, bitte, könnten wir nicht doch hingehen?«, quengelte sie, ganz nerviges Girlfriend, und schlug damit in dieselbe Kerbe wie seine Mutter, von der sie ohnehin für ein Paar gehalten wurden.
Er räusperte sich. »Ich glaube nicht -«
»Ach, bitte. Ich habe mir neulich ein hübsches Kleid gekauft und warte schon die ganze Zeit auf eine Gelegenheit, es zu tragen.«
Estelle schwieg. Wahrscheinlich wog sie gerade ihre Möglichkeiten gegeneinander auf: Entweder erschien der Sohnemann zum Dinner in Begleitung einer unmöglichen Tussi, oder er tauchte gar nicht auf. »Siehst du, Brandon, die junge Dame braucht dringend eine Gelegenheit, die Joggingklamotten zur Abwechslung gegen ein Abendkleid auszutauschen.«
Bingo! Annabelle grinste Vaughn triumphierend an. Auf ihre Menschenkenntnis war eben Verlass, Estelle hatte wie erwartet reagiert.
»Also gut, dann kommen wir eben«, seufzte Vaughn und tätschelte Annabelle die Hand. Das heißt, eigentlich war es mehr ein Klaps als ein zärtliches Tätscheln.
»Ich kann es kaum erwarten, deinem Vater Bescheid zu sagen!« Estelle klimperte mit ihrem Schlüsselbund und machte sich auf den Weg.
Annabelle war stolz auf sich, wenngleich sie für diese Aktion zweifellos noch büßen würde. Gleich bei ihrem ersten Auftritt als Vaughns PR-Beraterin hatte sie ihm einen wichtigen öffentlichen Auftritt in ihrer Begleitung verschafft. Jetzt musste sie nur noch dafür sorgen, dass sie ihrem Image als oberflächlicher Groupie gerecht wurde. Nun, in Anbetracht der distanzierten Haltung ihres Klienten sollte das kein Problem werden. Dafür galt es mehr denn je, ihre eigene wachsende Begierde im Zaum zu halten.
Vaughn hätte Annabelle am liebsten gekillt, oder zumindest ein bisschen gewürgt - und ihren degenerierten Köter, der es nicht einmal verstand, wie ein echter Mann zu pinkeln, gleich mit. Stattdessen chauffierte er sie zur Baustelle und vertraute sie dort seinem Freund Nick an mit dem Auftrag, Annabelle herumzuführen. Vaughn begab sich inzwischen in sein Büro, um ein paar dringende Arbeiten zu erledigen.
Er musste erst einmal die Tatsache verdauen, dass sie sich geradewegs in sein flammendes Familieninferno manövriert hatte und ihn damit zwang, sich zu einer der dämlichen Cocktailpartys seiner Eltern zu schleppen. Und das alles nur für sein Projekt und ein wenig positive PR.
Hätte er auch nur eine Sekunde geahnt, dass er ein solches Opfer würde bringen müssen, dann hätte er ohne Umschweife das gesamte Gästehaus an Nick verkauft. Es gab nichts, aber auch gar nichts, wofür er bereit war, sich die langweiligen Reden seines Vaters anzuhören, die doch nur darauf abzielten, den College- Vorstand zu beeindrucken und sich selbst wieder einmal daran zu erinnern, dass es Vaughn bedauerlicherweise völlig an »Grips« mangelte.
Doch so frustriert und verärgert er auch war, musste er doch zugeben, dass ihre Argumentation Hand und Fuß hatte. Bis jetzt hatte er lediglich zwei Zielgruppen in Betracht gezogen: die Schüler des Sommercamps und die Skitouristen im Winter. Auf die Gäste der universitären Einrichtungen und Veranstaltungen vor Ort wäre er nie gekommen, dabei lag diese Klientel eigentlich auf der Hand. Dank Annabelle eröffnete sich ihm hiermit ein völlig neuer Markt. Brillant, dachte er - aber er würde sich hüten, das ihr gegenüber zuzugeben.
Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und widmete sich den Unterlagen, die sich vor ihm stapelten. Aufgrund der fehlenden Lieferungen gab es Verzögerungen bei den Installationen; dafür hatten sie in allen anderen Bereichen wieder aufgeholt. Hoffentlich ging es auch künftig so zügig weiter.
Einigermaßen beruhigt machte er sich auf die Suche nach Nick und Annabelle. Er fand sie schließlich unter einem Baum am Seeufer, wo sie es sich auf einer Decke gemütlich gemacht hatten. Die beiden schienen sich prächtig zu amüsieren und bedienten sich aus einem Picknickkorb. Der Hund hopste erst Aufmerksamkeit heischend auf den Hinterläufen umher; als das nichts nützte, begann er, einen nahe gelegenen Strauch zu umrunden.
Auf Vaughn wirkte die Szene, als hätte der
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