Mach mich nicht an
fand er, lagen die Dinge ganz anders.
Als Yank erwähnt hatte, dass Annabelle in gute Hände gehöre, hieß das natürlich zwischen den Zeilen, dass Vaughn keine geeignete Besetzung für diese Rolle darstellte. Trotz all der Probleme, die er bisher bewältigt hatte, war und blieb Vaughn nämlich ein erfolgloser kleiner Junge; der Mann, den Laura verlassen hatte, weil er ihren Ansprüchen nicht genügte. Wie es aussah, war Yank nach Vaughns Wechsel zu Spence Atkins ebenfalls zu dieser Überzeugung gekommen. Er konnte Annabelle des Nachts dabei helfen, ihre Ängste zu vergessen, aber auf lange Sicht war er es ihr schuldig, die richtige Entscheidung zu treffen - für sie beide.
Nick dagegen schlug sich nicht mit derlei Ängsten oder Komplexen herum. Vaughn warf Mara, die an seine langen Pausen gewöhnt war und geduldig wartete, bis er zu reden bereit war, einen Blick zu.
Schließlich und endlich sagte er: »Ich glaube, Annabelle hat Recht. Du solltest es wagen.«
Sie sprang auf und drückte Vauhgn einen dicken Kuss auf die Backe, just in dem Moment, als Nick zur Tür hereinkam. Erwischt.
Vaughn schüttelte verärgert über sich selbst den Kopf, schenkte Mara einen entschuldigenden Blick und sagte »Ich mache mich auf die Socken, Leute« in Richtung Nick.
Dieser bedachte ihn mit einem finsteren, harten Blick und ballte die Fäuste. Puh, dachte Vaughn. Mara hatte noch ein gutes Stück Arbeit vor sich.
Aber sie würde das Kind schon schaukeln.
Vaughn verließ das Büro und machte sich auf die Suche nach Annabelle. Sie hatte ein goldenes Herz und verstand es hervorragend, Menschen auf emotionaler Ebene anzusprechen - das waren genau die Fähigkeiten, die Vaughn bei der Umsetzung seines Projektes fehlten. Wenn er nicht ständig damit beschäftigt wäre, sich das Gegenteil einzureden, würde er behaupten, sie seien ein tolles Team.
Nick schnaubte, während er Vaughn nachsah, der eben noch die Arme um Mara gelegt hatte. Wie lange würde er wohl noch der ewige Zweite sein? Wie oft musste er noch auf etwas verzichten wegen Vauhgn? Dass Nick den Mann vorbehaltlos respektierte und die beiden sich näher waren als Brüder, machte die Sache nicht unbedingt einfacher. Seine tristen Gedankengänge wurden von Mara jäh unterbrochen.
»Hallo, Nick!«
Er drehte sich um. Wann immer er sie ansah, verspürte er ein Gefühl im Magen, das ihm sagte, dass er nicht so bald über diese Frau hinwegkommen würde. Er mochte Maras offene Art und ihren Geschäftssinn, wusste ihren Humor und ihr freimütiges Lachen zu schätzen.
Und noch lieber mochte er ihr Gesicht, umrahmt von festem dunkelbraunem Haar, das sich ihren Fingern widersetzte, wenn sie es sich hinter die Ohren strich. Tja, das Thema Mara war für ihn noch lange nicht vom Tisch. Aber er blieb bei dem, was er Annabelle anvertraut hatte: Er wollte eine Frau, die sich einzig und allein für ihn interessierte und nicht seinem besten Freund nachtrauerte.
»Was ist?«, bellte er Mara an.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und fixierte ihn mit ihren schokoladenbraunen Augen. »Du bist ein Esel.«
»Das wirfst du mir ja in schöner Regelmäßigkeit an den Kopf«, knurrte er. »Was hat dich diesmal dazu veranlasst?«
Sie stürmte hoch erhobenen Hauptes auf ihn zu und packte ihn mit ihren zierlichen Händen an den Unterarmen.
»Das mit Vaughn war in der Highschool, vor einer Ewigkeit! Er ist für mich lediglich ein guter Freund und mein Arbeitgeber.«
Er schluckte hörbar. »Und warum sollte mich das interessieren?«
»Na, deshalb.« Sie neigte den Kopf und küsste ihn ohne jegliche Vorwarnung auf den Mund.
Er hatte zwar keinen Schimmer, was hier vor sich ging, aber dumm war er nicht: Eine solche Initiative zeugte eindeutig von Interesse. Seinem Instinkt folgend ging er in die Offensive, indem er sie an den Hüften hochhob und vor sich auf den Schreibtisch setzte.
Dann knabberte er an ihrer Unterlippe, saugte sanft daran und stellte fest: Es knisterte - und wie! Der Kuss dauerte lange; ein feuriges Duell der Zungen. Als sie schließlich voneinander abließen, wusste er nicht mehr, wer von ihnen angefangen oder die Führung übernommen hatte, er oder sie.
In Anbetracht der Tatsache, dass seine Hände zitterten wie Espenlaub, ging der Punkt vielleicht doch eher an Mara, die ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrte, die Wangen gerötet. Stand es vielleicht doch unentschieden?
»Was war das denn?«, erkundigte er sich und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, um ihren
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