Mach mir die Wüstenwühlmaus: Heißer Sex erhält die Liebe (German Edition)
primitiven, unerträglichen Wünsche dienen und unsere Seele vor allen möglichen unangenehmen Gedanken schützen. Carl Gustav Jung (1875–1961) dagegen, auch einer der Gründerväter der Psychotherapie, sprach von unserer dunklen Seite: » Der Schatten ist alles das, was du auch bist, aber auf keinen Fall sein willst.« In diesen außerhalb unseres Ichs befindlichen Teil tun wir alle unkontrollierbaren Instinkte, destruktiven Impulse und Eigenschaften, die wir als ungewollt oder nieder betrachten.
Obgleich jeder eine Schattenseite hat, leugnen oder unterdrücken die meisten Menschen sie. Eine der Arten, wie unser Zorn auf unseren Partner in einer relativ kontrollierbaren Form nach außen dringen kann, ist die mittels unserer Fantasien. So ist Tobys Vorstellung, in der er seine Frau dazu bringt, jeden Mann im Sexclub zu befriedigen, sehr nah dran an einer Bestrafung seiner Frau. Sie zieht auch die Frage nach sich, wie gut er im Alltag mit aufgestauter Wut umgeht.
Der französische Philosoph Michel Foucault (1926–1984), der sich für Sexualität und erotische Grenzüberschreitungen interessierte, geht noch einen Schritt weiter und stellt eine Verbindung zwischen Schmerz und Lust her. Diese Vorstellung wird von Geoff Mains in seinem Buch Urban Aboriginals (Gay Sunshine Press, 1984) aufgegriffen. In dieser soziologischen und anthropologischen Studie zur Ledersubkultur in Nordamerika beschreibt Mains, wie eine Stimmung des Vertrauens zwischen Partnern (statt eines brutalen Angriffs) und ein allmähliches Steigern von vorsichtig und genau platziertem Schmerz sich in sexuelle Ekstase umwandeln lassen. Mitte der 1970er-Jahre entdeckten Wissenschaftler die von unserem Körper produzierten Chemikalien, die als Endorphine und Enkephaline bezeichnet werden. Diese werden von den Nerven verwendet, um miteinander zu kommunizieren, das körpereigene Schmerzkontrollsystem zu aktivieren und eine morphinartige Substanz im Gehirn zu erzeugen – die für das Gefühl von Euphorie oder Trance verantwortlich ist. Mains erklärte, dass Sadomasochismus (beziehungsweise SM ) nicht nur eine sichere Methode wäre, um Aggressionen herauszulassen, sondern dass der durch das Auspeitschen, Schlagen und Ähnliches ausgelöste Endorphinschub die Lust der diese Praktik Ausübenden auf noch mehr Schmerz erhöhen würde. Interessanterweise verknüpfte er diese relativ neuen Sexpraktiken im Amerika der 1980er-Jahre mit alten religiösen Riten, die der Ekstase dienten, darunter der Tanz des Derwisch (sich drehender Sufi), der Sonnentanz der Hopis (ein Indianerstamm, dessen Tänzer sich die Brust piercen ließen) und der Feuerlauf (der sich bis ins 12. Jahrhundert vor Christus zurückverfolgen lässt und von nicht miteinander verwandten Kulturen wie den Griechen und Chinesen praktiziert wurde).
Die eigene Balance finden
Ausgeglichene Menschen haben weniger auf ihrer Schattenseite versteckt und Zugang zur gesamten Bandbreite menschlicher Emotionen und Eigenschaften – von der Zärtlichkeit bis zur Aggressivität, von der Kontrolliertheit bis zur Verletzlichkeit, von der Fürsorglichkeit bis zum Umsorgtwerden, von der Großzügigkeit bis zum Egoismus und von der Fixiertheit bis zur Flexibilität. Leider übermitteln uns die Gesellschaft und unsere Kultur alle möglichen Botschaften: Große Jungs weinen nicht, anständige Mädchen haben nicht besonders viel Spaß an Sex; wir sollen nicht so sexfixiert sein und keine Schwächen zeigen. Die Liste ist endlos, aber das Ergebnis ist immer das gleiche: die Einschränkung der Bandbreite akzeptabler Empfindungen. Darüber hinaus lassen wir uns schnell in eine bestimmte Rolle drängen und widmen unser Leben zum Beispiel der Fürsorge anderer (und vergessen dabei die eigenen Bedürfnisse).
Eine der Methoden, wie wir mit den Widersprüchen der menschlichen Natur fertigwerden – und die darüber hinausgeht, dass wir die Teile, die wir nicht akzeptabel finden, auf unserer Schattenseite ablegen, um sie dort zu vergessen –, ist, die anderen Teile unseres Selbst durch unsere Fantasie und unsere Sexualität auszudrücken. Naomi ist eine anständige Frau und Mutter, aber die Liebhaber in ihren Tagträumen sind oft böse Buben, die Art Jungs, die am anderen Ende des Dorfs wohnten, in dem sie aufwuchs, und mit denen ihre Mutter ihr jeglichen Kontakt untersagt hatte.
Eine ihrer Lieblingsfantasien ist, wie sie mit einem der bösen Jungs aus ihrer Lieblings-Soap-Opera Sex auf dem Gepäckband am Flughafen London
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