Mach sie fertig
weiß, dass du auch böse werden konntest, aber früher warst du immer nett. Was ist denn nur mit dir los? Du redest von Dankbarkeit, von all dem Elend, das du um dich herum siehst. Davon, dass die Parkverwaltung ihren Job nicht macht und es so viele Ratten in Örnsberg gibt. Du klingst so merkwürdig. Bist du eigentlich bei der psychiatrischen Ambulanz gewesen, wie wir verabredet haben? Wie geht es dir eigentlich, Niklas? Willst du nicht heute Abend auf einen Abstecher zum Essen kommen? Ich kauf auch Pizza.«
Anfänglich: Erstaunen über ihre Reaktion. Jedoch schnell abgelöst von ganz anderen Gefühlen: Empörung. Ekel. Die psychiatrische Ambulanz war scheiße gewesen. Was glaubte sie denn eigentlich? Er spürte, wie seine Hand zu zittern begann. Konnte kaum mehr das Handy am Ohr halten.
»Hör doch auf damit! Du wirst es schon noch sehen. Ihr alle werdet es sehen. Ich bin nicht so wie du. Ich bin zu etwas viel Größerem berufen, ich werde die Leute beeindrucken. Es geht um
Impact
, Mama, etwas in der Welt zu
verändern
. Und dafür muss man etwas tun. Das Leben der Menschen bestimmt den Lauf der Geschichte. Alle laufen nur rum und akzeptieren die Scheiße, aber wer tut etwas dagegen? Und du, du bist immer nur feige gewesen.«
Niklas beendete das Gespräch. Jetzt reichte es wirklich. Wenn nicht mal Mama ihn verstand, war es sinnlos, auch nur zu versuchen, es irgendjemand anderem zu erklären.
Die Operation Magnum musste fortgesetzt werden. Niklas fuhr direkt raus nach Sundbyberg.
Die Wohnung von Familie Strömberg lag im ersten Stock. Niklas schwang sich auf den Rücksitz. Legte sich hin. Platzierte das Fernglas auf seinem Bauch. Schaute durch das Seitenfenster nach oben in die Wohnung. Bis jetzt alles dunkel. Es war Viertel nach fünf. Gut, dass er die Nummernschilder in regelmäßigen Abständen auswechselte.
Draußen gingen die Leute am Auto vorbei. Der Vorteil, so früh zu kommen: Man fand leicht einen Parkplatz. Ein paar Mal war er schon gezwungen gewesen, wegen Parkplatzmangel aufzugeben. Musste stattdessen zu einer der anderen Wohnungen fahren. Das irritierte ihn – er brauchte Gewohnheiten.
Während er darauf wartete, dass die Familie nach Hause kam, las er in seinem neu entdeckten Genre: Antimachtbalance. Antiporno. Anti-Männer-die-glaubten-sie-hätten-das-Recht-darauf-sich-alles-rauszunehmen. Im Augenblick:
Das Unbehagen der Geschlechter!
von Judith Butler. Unglaublich akademisch, aber es bildete ihn in gewisser Weise. Ließ ihn die Unzulänglichkeiten des schwedischen Staates erkennen. Weltweit. Männer, die ihre Macht missbrauchten. Das physische Ungleichgewicht. Es war wie bei den Ratten, die den Menschen das Herzblut aussaugten, nur weil sie die Möglichkeit dazu hatten. Wie ein Haufen Dreck, nur weil man sie machen ließ. Dreck, der jeden Zentimeter des menschlichen Körpers besudelte. Der in die Blutgefäße, Muskelfasern, Atmungsorgane eindrang. Dreck. Aber sie wussten nicht, wen sie als Gegner hatten – arme Ärsche.
Um sechs Uhr kam der Sohn nach Hause. Verhielt sich wie immer. Stellte den Fernseher an, noch bevor er die Jacke ausgezogen hatte. Verschwand in der Küche. Kam mit einer Schale in der Hand zurück. Wahrscheinlich mit Müsli und Milch. Hockte sich vor die Glotze.
Aber Helene kam nicht nach Hause. Es wurde sieben Uhr. Der Junge telefonierte ein paar Mal.
Um halb acht kam der Scheißkerl Mats nach Hause. Verschwand in der Küche. Es wurde später. Das hier entsprach nicht den normalen Gewohnheiten der Familie. Mats kam ins Wohnzimmer. Setzte sich mit einem Bier in der Hand neben den Sohn vor den Fernseher. Der Sohn stand auf, verschwand aus seinem Blickfeld. Vielleicht ging er zu Bett, obwohl es noch früh war.
Der Mann blieb sitzen. Kippte Bier in sich rein. Sah fern.
Erst gegen halb elf sah Niklas Helene die Straße entlangkommen. Er kannte den Türcode bereits – er war leicht rauszukriegen, man musste sich nur die Bewegungsabfolge der Finger auf der Türtastatur einprägen. Er hatte ihn zur Sicherheit mehrfach ausprobiert.
Normalerweise benötigte sie fünfundvierzig Sekunden bis nach oben in die Wohnung.
Korrekt: dreiundvierzig Sekunden. Nachdem sie durch die Haustür nach drinnen gegangen war, stand Mats vom Sofa auf. Leicht schwankend. Verschwand nach draußen in Richtung Flur.
Verdammt, Niklas konnte nicht sehen, was geschah. Erwog, aus dem Auto zu steigen und sich weiter oben auf der Straße zu platzieren. Um einen besseren Blickwinkel zu haben,
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