Mach sie fertig
wenigstens eine Ecke des Flurs einsehen zu können. Zugleich: Jetzt galt es, überlegt zu handeln, nichts zu überstürzen, nicht unnötig mit dem Fernglas in der Hand herumzufuchteln. Er blieb im Wagen. Wartete.
Nach zehn Minuten: Sie kamen ins Wohnzimmer.
Helene gestikulierte mit den Armen. Mats hochrot im Gesicht. Völlig offensichtlich – sie stritten sich.
Niklas unter Hochspannung. Worum ging es da drinnen? Wie aggressiv war der Mann? Er hätte die Wohnung mit einer drahtlosen Abhörausrüstung versehen, sie geradewegs anzapfen sollen.
Dann sah er es deutlich. Mats, das Arschloch, versetzte Helene einen Stoß gegen die Brust. Ihr Gesicht verzog sich, möglicherweise weinte sie. Er stieß sie noch einmal. Sie machte ein paar Schritte nach hinten. Wieder ein Stoß. Sie bewegten sich durch seine Stöße aus dem Bild heraus. Wieder in Richtung Flur. Jetzt war es so weit, jetzt würde es zum gewalttätigen Übergriff kommen: ganz sicher, gleich.
Niklas sprang aus dem Wagen. Riss das Fernglas und sein Cold Steel-Messer an sich. Dunkel draußen. Die Straßenlaternen an Drahtseilen zwischen den Häusern. Er tippte den Code ein. Ein leises Klicken, als sich das Türschloss öffnete. Riss die Tür auf.
Vier Stufen auf einmal. Ambitioniert – adrenalinfokussiert, angriffsbereit. Stealth position – bereit zuzustechen.
Strömberg. Keramikschild an der Tür mit farbenfroher, hervorgehobener Aufschrift: Willkommen. Die Geräusche ihres Streits waren schwach zu hören. Obgleich Niklas bereits oben gewesen und das Türschild gesehen hatte, dachte er: Die Idylle ist noch verlogener, als er angenommen hatte.
Ansonsten Stille im Treppenhaus. Er hörte seine eigenen keuchenden Atemzüge. Hielt den Türspion an das Guckloch in der Tür. Da drinnen: Mats und Helene in absolutem Krieg. Sie saß auf einem Hocker. Er: einen Meter von ihr entfernt. Schrie. Niklas konnte es jetzt, wo sein Kopf nur ein paar Zentimeter von der Tür entfernt war, deutlich hören.
»Du verdammte Egoistin. Was glaubst du eigentlich, wie das funktionieren soll? Wenn du die ganze Nacht lang unterwegs bist und einen draufmachst.«
Mats machte einen großen Schritt vor. Helene saß da, die Hände schützend vors Gesicht gehalten. Schniefte. Wimmerte. Weinte.
Mats schrie weiter. Brüllte irgendwas von den Voraussetzungen für ihr gemeinsames Leben. Der Erziehung ihres Sohnes. Dem Aufräumen in der Küche. Jede Menge Schwachsinn. Helene ignorierte ihn, sah nicht einmal zu ihm hoch.
Mats machte noch einen Schritt. »Hörst du mir überhaupt zu? Du verdammte Hure.« Griff ihr ins Haar. Riss ihren Kopf hoch. Rotgeränderte, verweinte Augen. Niklas spürte es. Ihre Angst. Panik. Wahrscheinlich wusste sie, was jetzt kommen würde.
Mats hielt ihr Haar mit festem Griff. Sie war gezwungen aufzustehen. Versuchte, seinen Griff mit ihren Händen zu lösen. Er ließ los. Schubste sie in Richtung Garderobe. Sie taumelte, stolperte, fiel. Versuchte aufzustehen. Er stand über ihr, sein Gesicht fünf Zentimeter von ihr entfernt. Brüllte sie weiter an. Schimpfte, schrie, spuckte um sich.
Sie kam auf die Füße. Riss ihre Schuhe an sich.
Niklas konnte kaum reagieren. Die Tür wurde geöffnet. Helene drückte auf den Lichtschalter. Niklas stand da wie ein Idiot, den Türspion fest mit der Hand umschlossen.
Helene ignorierte ihn. Rannte die Treppen runter, immer noch auf Strümpfen. Die Schuhe in der Hand.
Niklas verzog sich nach oben ins nächste Stockwerk. Horchte.
Hörte Mats brüllen: »Komm jetzt zurück, beruhige dich.«
Die minutiöse Planung war nutzlos – Niklas konnte nichts machen.
Er wartete, bis Mats die Tür wieder schloss. Ging raus zum Audi. Entdeckte Helene weiter unten auf der Straße.
Sie ging mit schnellen Schritten, doch es sah aus, als ob sie schwankte.
Niklas folgte ihr.
30
Sonnengebräunt, durchtrainiert, stark – äußerlich betrachtet.
Aufgewühlt, gespannt, nervös – innerlich.
Heute würde die Entscheidung fallen. Åsa und Thomas waren am Vortag aus Gran Canaria zurückgekommen. Åsa sagte, dass es wunderbar gewesen sei. Aber Thomas wusste: Die Unruhe nagte auch an ihr, wahrscheinlich noch schlimmer als an ihm.
Irgendwann nach ein Uhr würde der Beschluss mitgeteilt werden. Åsa war auf der Arbeit.
Er ging gegen zehn Uhr einkaufen. Der Himmel: zäh und grau wie Beton, fahl wie sein eigener innerer Zustand. Die Säufer vor dem Systembolag zogen sich zurück, als er mit den Lebensmitteltüten vorbeikam – sie
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