Mach sie fertig
oder zu den Bullen durch. Thomas vertraute den Jugos. Mehr als irgendjemandem bei der Polizei. Es war erstaunlich, aber wahr.
Tja, so komisch das auch klingen mochte, der Job im Club vermittelte ihm eine gewisse Ruhe. Gab ihm eine Rückzugsmöglichkeit, die ihn zu sich selbst finden ließ. Das Ganze lag ihm, er hatte freie Hand. Aufmüpfige Stripfreier sollten, wenn sie zu sehr über die Stränge schlugen, erstmal Andrén kennenlernen.
Manchmal erledigte er auch andere Aufgaben, komplexere, anspruchsvollere. Kümmerte sich bei Veranstaltungen mit etwas höherem Rang um die Sicherheit. Schwedische und ausländische Geschäftsleute, die ein wenig Spaß haben wollten. Die Stripperinnen wurden zu Bräuten mit Stil aufgedonnert, Profikosmetikerinnen wurden engagiert, junge Dandys aus Östermalm organisierten die Happenings. Thomas bekam nicht viel von den Partys zu sehen, aber vom Drumherum. Brachte den jüngeren Typen aus dem Fitnessstudio, die Ratko ihm vorstellte, bei, die Schlagstöcke und Elektropistolen richtig anzuwenden. Erklärte, wie man ruhig und beherrscht, aber dennoch knallhart mit einem zugedröhnten Fünfzigjährigen umging. Sorgte dafür, dass die richtige Art von Schutzwesten eingekauft wurde, kümmerte sich um die Ausstattung mit Funkgeräten, Gürteln, Handschellen und Handschuhen. Er kannte sich bestens aus. Ratko liebte ihn. Vielleicht war das hier ein Durchbruch. Vielleicht konnte er das hier auch Vollzeit machen.
Dann war da noch die andere große Sache. Die ständig an ihm nagte. Die wie ein Post-it-Zettel an der Innenseite seiner Stirn klebte. Der Palme-Fall. Parteichef der Sozialdemokraten während seiner gesamten Jugend, der Ministerpräsident des Landes. Der Mord, bei dem Schweden seine Unschuld verloren hatte. Es war Wahnsinn. Alles deutete darauf hin, dass der Ermordete, den er vor fünf Monaten gefunden hatte, Rantzell war. Und Rantzell war Cederholm. Und Cederholm – bei diesem Namen hätte es eigentlich klingeln müssen – war der Hauptzeuge in den gesamten Palme-Ermittlungen gewesen. Der Mann, der behauptet hatte, Christer Pettersson einen Revolver der Marke Smith&Wesson geliehen zu haben. Der Revolver, um den sich das halbe Gerichtsverfahren gedreht hatte. Hatte Christer Pettersson so eine Waffe besessen oder nicht? War Cederholm glaubwürdig oder nicht? Wie standen die beiden eigentlich zueinander? Die Fragen sprengten nahezu seinen Schädel. Doch am schlimmsten von allem: Wo war er da reingeraten? Er dachte daran, auf welche Art und Weise Rantzell getötet worden war. Professionell ausgeführt. Die abgetrennten Fingerkuppen, das fehlende Gebiss, keine anderen Möglichkeiten, das Opfer zu identifizieren. Zugleich: so profan und banal. In einem Keller, blutüberströmt, besudelt wie der letzte Penner. Es musste doch einfachere Methoden gegeben haben.
Und noch eins: Es betraf ihn in gewisser Weise persönlich. Er musste wieder an seinen Vater denken. Für seinen alten Herrn war es ebenso selbstverständlich, Sozialdemokrat wie ein Mann zu sein. Es gab keine Alternative. Nicht, weil er in theoretischer Hinsicht an Politik interessiert gewesen wäre, sondern weil er aus dem Bauch heraus wählte. Das, was gut für mich ist, ist auch gut für Schweden – alle sollen davon profitieren. Gunnar hatte sein ganzes Leben als Anstreicher gearbeitet. Nicht, wie sie es heute alle praktizierten: zu achtzig Prozent Schwarzarbeit und fürs Finanzamt nebenher noch ein legaler Job. Gunnar rackerte sich für andere ab, nicht für sich selbst. Er war Angestellter, ein Lohnsklave – sein Leben lang. Seit dem achtzehnten Lebensjahr in der Gewerkschaft organisiert. »Die Sozialdemokraten«, pflegte er zu sagen, »haben mir eine Chance gegeben. Und Olof Palme«, fuhr er fort, »gibt Schweden eine Chance.« Die Leute waren der Meinung, dass Palme gehasst wurde, weil er seine eigenen Leute verraten hatte. Aber Gunnar sah es anders. »Palme wurde gehasst, weil er so einfühlsam reden konnte und dabei selbst ein verhärtetes Malerherz erreichte.«
Thomas erinnerte sich noch daran, wie sein Vater vor dem Fernseher gesessen hatte. Gemeinsam mit ihm, als Palme auf dem Norra Bantorget sprach. Die Fleißarbeit hinter dem Rednerpult. Gunnars lautes Auflachen, als Palme nach einer treffenden Formulierung lächelte.
Und jetzt hatte jemand genau den Cederholm plattgemacht, der den Typen verpfiffen hatte, der um Haaresbreite für den Mord an Olof Palme verurteilt worden wäre. Thomas wusste nicht, was er davon
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