Mach sie fertig
besonders friedliches, glückliches, ja perfektes Land sei. Eigentlich war es noch schlimmer – denn selbst in Schweden glaubten die Leute, dass Harmonie herrschte. Doch das war Bullshit. Kratzte man auch nur ein wenig an der Oberfläche, so stellte man fest, dass überall Rattenscheiße zum Vorschein kam.
Bei Handen fuhr er auf die Autobahn. Nicht viele Autos unterwegs. Vielleicht sollte er doch mal bei Mama anrufen? Die Bilder blitzten in seinem Kopf auf. Claes Rantzell. Mats Strömberg. Roger Jonsson. Manchmal trug der Widerstand eben doch den Sieg davon.
Nynäsvägen. Rauf auf den Södra Länk. Richtung Årsta. Eine Art Kunstwerk rahmte die Einfahrt des Tunnels ein. Es war nahezu magisch. Wie ein blauer Lichtbogen, der den gesamten oberen und seitlichen Teil des Tunnels erleuchtete. Zwischen den beiden Röhren: viele kleine Lichter, wie Sterne, mit einer leuchtenden Kugel in der Mitte. Vielleicht ein Himmelskörper. Er dachte: noch eine Aushöhlung im Dasein. Seine Gedanken wanderten wieder in die übliche Richtung. Die Grundpfeiler der Zivilisation waren ihre Hohlräume. Es war schon komisch. Die Zivilisation gründete sich auf unterirdische Gänge, Rohre, Müllschlucker, Kabelschächte, Hohlräume. Doch das bestätigte nur, wie die Realität aussah. Wie harmonisch alles, oberflächlich betrachtet, auch aussehen mochte, die Wahrheit befand sich in den Hohlräumen.
Niklas fuhr durch Årsta hindurch. Bog in den Hägerstensväg ein. Bald zu Hause. Er fühlte sich ausgelaugt. Und auch wieder nicht. Die Gedanken hielten ihn auf Trab. Wie ständige Adrenalinkicks.
In der Nähe des Hauses fand er keinen Parkplatz, so dass er den Wagen vier Häuserblöcke entfernt parken musste. Er ließ die Tasche mit der Ausrüstung im Wagen; sie konnte dort liegenbleiben, bis er das nächste Mal nach Smådalarö fahren würde. Womöglich schon bald.
Er schlug die Autotür zu. Ging in Richtung seines Mietshauses.
Der Schein der Straßenlaternen ließ den Asphalt erneut glänzen. Sein Atem bildete kleine Wölkchen in der Luft.
Er tippte den Türcode ein. Öffnete.
Trat ein. Drückte auf den Lichtschalter.
Sah geradewegs in vier MP 5 -Mündungen.
Jemand schrie: »Hände hoch, Brogren! Sie sind festgenommen!«
Vier Polizisten vom Mobilen Einsatzkommando. Schwarze Overalls, Westen, Helme, Visiere, der ganze Klimbim. Schnellfeuerwaffen in der kleineren Polizeiausführung waren auf ihn gerichtet. Hinter ihm strömten weitere Polizisten herein. Legten ihm Handschellen an. Zwangen ihn zu Boden. Es war zu spät. Zu spät zum Nachdenken. Er war festgenommen.
Er fragte sich, weswegen.
* * *
K 0202 - 2008 - 30493
Vernehmung von Niklas Brogren, Nr. 2
7 . Dezember, 10 . 05 Uhr- 11 . 00 Uhr.
Anwesende: Tatverdächtiger Niklas Brogren ( NB ), Vernehmungsleiter Stig H. Ronander ( VL ), Pflichtverteidiger Jörn Burtig ( JB )
Abschrift in Dialogform
VL – Hej, Niklas. Als Erstes möchte ich darauf hinweisen, dass wir die Vernehmung wie immer aufzeichnen, nur dass Sie Bescheid wissen.
NB – Okay.
VL – Gut. Dann legen wir los. Ich werde damit beginnen, Sie über den Tatverdacht in Kenntnis zu setzen. Sie werden wegen Mordes am 3 . Juni diesen Jahres, beziehungsweise Beihilfe zum Mord, verdächtigt.
NB – Davon weiß ich nichts. Ich bin unschuldig.
VL – Aha. Können Sie mir dann vielleicht darlegen, was Sie an diesem Tag gemacht haben?
JB – Bitte warten Sie kurz. Der Tatverdacht muss präzisiert werden, damit mein Mandant bezüglich der Anklage, die gegen ihn erhoben wird, Stellung nehmen kann.
VL – Was genau möchten Sie präzisiert wissen?
JB – Es genügt natürlich nicht, lediglich die Art des Verbrechens zu nennen. Welche Straftat genau meinen Sie, hat Niklas verübt, und wo?
VL – Ging das nicht aus dem hervor, was ich gerade gesagt habe?
JB – Nein. Wie soll ich daraus entnehmen, welche Straftat er Ihrer Meinung nach begangen hat?
VL – Also ich dachte eigentlich, ich hätte mich ziemlich deutlich ausgedrückt. Aber gut, ich werde einen neuen Versuch machen. Niklas Brogren, Sie werden verdächtigt, Claes Rantzell am 3 . Juni dieses Jahres in einem Keller im Gösta Ekmans väg 10 in Stockholm ermordet zu haben. Ist Rechtsanwalt Burtig nun zufrieden?
JB – Hm … (unverständlich)
VL – Und, Niklas, was sagen Sie dazu?
NB – Ich weiß, wer Claes Rantzell ist. Aber ich habe ihn nicht ermordet. Ich war an dem Abend nicht mal im Gösta Ekmans väg.
VL
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