Mach sie fertig
den neunten Becher Kaffee ein. Schlürfte.
Ljunggren musste die restlichen Stunden der Tagschicht alleine weiterfahren. Thomas musste zu einem Ermittlungsgespräch. Oder, wie es salopp hieß, zur Befragung. Seine Eindrücke von der Nacht des dritten Juni schildern. Dem Kripobeamten eine ausführlichere, genauere, eingehende Sicht der Dinge geben. Sie benötigten mehr als nur die Fotos der Techniker, die schriftlichen Berichte und Protokolle der Zeugenvernehmungen.
Er musste zum Hauptquartier, das heißt nach Kronoberg. Will sagen: ins Paradies der Kriporatten/Papiertiger/Telefonmiezen. Eine Kollegin, die er nie zuvor gesehen hatte, nahm ihn im Auto mit. Er hatte keine Lust zu reden. Grüßte höflich – die restliche Fahrt über schwiegen sie.
Thomas hatte eine halbe DIN A 4 -Seite beschrieben, sein Bericht über die Ereignisse. Es war Bullshit, bestand aus lauter Abkürzungen und Standardformulierungen.
Insp. Andrén und Insp. Ljunggren wurden in der aktuellen Nacht um 00 . 10 Uhr über Funk angerufen. Kamen um 00 . 16 Uhr in den Gösta Ekmans väg 10 . Menschenansammlung vor dem Haus sowie ca. 8 Personen im Treppenhaus.
Eine Reihe von Zeitpunkten, Namen von Inspektoren, die vor Ort eingetroffen waren, Name der Einsatzleitung, das Absperren, das Einholen von Informationen, und so weiter. Danach kurze Beschreibungen:
Der Unterzeichn. als Erster am Leichenfundort. Erste-Hilfe-Versuch ausgeführt. Fundort fotografiert. Beobachtungen: Blutspuren und Spuren von Erbrochenem an Wand/Boden. Das Gesicht zum Boden gewandt, starke Schwellungen und Verletzungen. In der Hosentasche: Quittungen, nicht identifizierbarer Zettel. Krankenwagen um ca. 00 . 26 Uhr vor Ort. Spurensicherung um ca. 00 . 37 Uhr eingetroffen.
Thomas hasste es aus zwei Gründen, Berichte zu schreiben. Zum einen: Er kam nicht mit der Computertastatur zurecht. Die lächerlichsten Probleme machten alles zunichte. Zum Beispiel, wenn er auf die Caps-Lock-Taste kam. Er brauchte drei Minuten, bis er überhaupt merkte, was passiert war. Wenn er zufällig auf die Insert-Taste drückte, wo er doch eigentlich die Backspace-Taste hatte betätigen wollen – mit jedem Buchstaben, den er schrieb, wurde der Text, den er bereits eingegeben hatte, überschrieben. Er kam mit diesem Scheiß einfach nicht klar. Kriegte Anfälle. Musste den halben Bericht wieder neu eintippen, weil die Hälfte fehlte. Er hätte vor Wut platzen können. Wer zum Teufel hatte eigentlich diese Tastaturen erfunden?
Zum anderen: Das, was geschehen war, war nicht von Belang. Nein, du musstest beweisen, dass du die Vorschriften befolgt hattest. Er hatte zum Beispiel auf die Erste Hilfe gepfiffen. Aber darauf hätten alle gepfiffen. Du musstest dich irgendwie absichern, so war nun mal der Polizeidienst – was ansonsten in dem Bericht stand, war eine andere Sache.
Der Haupteingang in der Polhemsgata war frisch renoviert. Glänzender Marmorboden, gebürstetes Metall und riesige weiße Designerlampen. Thomas konnte es nicht fassen, in welche unnützen Sachen sie ihre Gelder pumpten. Es gab Kollegen in Söderort, die zwanzig Jahre lang ein und dieselbe Dienstwaffe benutzen mussten, aber hier, bei den Edelpolizisten, investierten sie Millionen, um einen Eingang zu erneuern. Inwiefern wurde eigentlich das soziale Klima der Stadt durch einen luxusrenovierten Eingangsbereich besser? Die Fehlinvestitionen kannten keine Grenzen.
Er zeigte seinen Dienstausweis an der Rezeption vor. Bat darum, Martin Hägerström kurz anzurufen, den Leiter der Voruntersuchungen, mit dem er verabredet war. Zimmer 547 . Fünfter Stock. Bestimmt herrliche Aussicht.
Der Aufzug war voll mit Bürokräften, hauptsächlich Frauen. Er kannte kein einziges Gesicht. Stellten sie heutzutage etwa nur Mädels ein? Er heftete seinen Blick auf die Knöpfe, genauer gesagt, den Knopf mit der Fünf drauf. Hielt sich an die strenge schwedische Fahrstuhletikette – steig ein, lass deinen Blick über die Leute schweifen, die im Aufzug stehen, richte ihn dann auf einen Punkt an der Wand, auf die Leiste mit den Knöpfen oder das Sicherheitszertifikat der letzten Inspektion. Blicke stur geradeaus. Beweg dich nicht. Dreh nicht den Kopf. Sieh dich nicht um. Vor allem: Schau unter keinen Umständen einem deiner Mitfahrer in die Augen.
Alle Knöpfe leuchteten. In jedem Stockwerk wollte jemand aussteigen. Es würde eine lange Fahrt werden.
Fünfter Stock: Er fand schließlich das Zimmer. Die Tür war geschlossen. Er klopfte. Jemand rief:
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