Mach sie fertig

aussah, muss der Mörder ein absoluter Psychopath gewesen sein.«
    Dreißig Sekunden Stille – eine lange Zeit für zwei Männer, die sich nicht kannten.
    »Sie können bald gehen, keine Sorge. Ich habe nur noch eine Frage. Wie lautet Ihre spontane, vorläufige Auffassung zur Todesursache?«
    Es war nicht angebracht, lange um den heißen Brei rumzureden. Denn dann würde der Kripofritze ihn allein schon aus Prinzip noch länger hier festhalten. Er sagte also seine aufrichtige Meinung: »Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Der Tote wies immerhin deutlich sichtbare Einstiche von Kanülen im Arm auf, so dass es durchaus eine Überdosis gewesen sein kann, die ihn über die Misshandlung hinaus fertiggemacht hat.«
    Hägerström klappte der Unterkiefer herunter; er wirkte einen kurzen Augenblick ernsthaft erstaunt. Fasste sich schließlich. Setzte wieder seine arrogante Art auf: »Hab ich Ihnen nicht gesagt, dass ich Ihre Art von Humor nicht mag?«
    Jetzt war es an Thomas, erstaunt zu sein. Was meinte der Typ nur? Das hier war kein Witz gewesen.
    »Hägerström, ganz ehrlich. Ich mag die Leute von der Internen nicht. Meiner Meinung nach sollten wir eher zusammenhalten und unsere Zeit nicht damit verschwenden, das Leben von fähigen Berufskollegen zu ruinieren. Aber ich möchte Ihnen entgegenkommen und auf Ihre Fragen antworten, um möglichst bald wieder von hier wegzukommen. Das Problem ist allerdings, dass ich im Moment wirklich nicht verstehe, was Sie wollen.«
    »Nicht? Ich will eine Antwort auf meine Frage haben. Wie lautet Ihre spontane, vorläufige Auffassung zur Todesursache? Und bitte keine verdammten
Einstichlöcher
.«
    »Ich weiß es nicht, hab ich doch gesagt. Es war höchstwahrscheinlich wegen der Misshandlung, aber es kann auch eine Überdosis gewesen sein. Im Hinblick auf die
Einstichlöcher
.«
    Hägerström beugte sich vor. Betonte: »Es gab keine Einstichlöcher oder sonstigen Stichverletzungen. Die Leiche wies keinerlei derartige Merkmale auf.«
    Erneut Stille. Beide wägten die Situation ab. Ihre Gesichter: weniger als einen Meter voneinander entfernt.
    Schließlich sagte Thomas: »Sie haben also meinen Bericht nicht gelesen, wie ich feststelle. Die Leiche war am Oberarm ja geradezu durchlöchert wie ein Sieb. Wenn er sich selbst oder jemand anders ihn durch alle diese Löcher mit Drogen vollgepumpt hat, könnte er ebenso gut aufgrund von einer Überdosis abgenippelt sein. Kapiert?«
    Hägerström wühlte in seinen Papieren auf dem Schreibtisch. Griff eins heraus – es war Thomas’ Bericht. Der Kripoheini reichte ihn herüber. Eine halbe Seite. Kurze prägnante Sätze, die er wiedererkannte. Aber am Ende stimmte etwas nicht. Es fehlte ein Abschnitt. Hatte er vergessen, die letzten Zeilen zu speichern? Hatten diese verdammten Tastenfunktionen dafür gesorgt, dass dieser Teil des Textes gelöscht wurde, oder hatte etwa jemand anders ihn gelöscht?
    Er schüttelte den Kopf. Kein Wort über die Einstiche im Bericht.
    Thomas sah von seinem Papier auf.
    »Das hier ist ein Bluff.«
    * * *
    4 . Juni
     
    Obduktionsprotokoll
    Institut für Rechtsmedizin
    Abteilung Prosektur
    Retzius väg 5
    171 65 SOLNA
    E 07  – 073 , K 58599 – 07
     
    A. Einleitung
    Entsprechend des Auftrags der Polizeibehörde Stockholm ist eine ausführliche rechtsmedizinische Obduktion an einer unidentifizierten Leiche – im weiteren Verlauf als »X« bezeichnet – vorgenommen worden, die am 3 . Juni im Gösta Ekmans väg 10 in Stockholm aufgefunden wurde.
     
    Die Untersuchung wurde von dem Unterzeichnenden im Institut für Rechtsmedizin in Stockholm in Anwesenheit von Sektionsassistent Christian Nilsson durchgeführt.
     
    Die Identität konnte nach Angaben der Polizeibehörde Stockholm bisher noch nicht festgestellt werden, jedoch kann einleitend Folgendes dargelegt werden:
     
    1 . X ist ein Mann;
    2 . X ist Angehöriger der kaukasischen Rasse;
    3 . X’s Alter liegt zwischen 45 und 55  Jahren; und
    4 . X starb am 3 . Juni zwischen 21 . 00 und 24 . 00 Uhr.
     
    B. Weitere Umstände
    Die weiteren Feststellungen in diesem Zusammenhang gehen aus einem vorläufigen Bericht der Polizeibehörde Stockholm hervor, Sektionsnummer K 58599 – 07 , unterzeichnet von Martin Hägerström, Kr.-Insp.
     
    C. Äußere Besichtigung
    1 . Die Leiche ist 185  cm lang und wiegt 79  Kilo.
     
    2 . Die Totenstarre ist noch vorhanden.
     
    3 . Im Gesicht, an den Schläfen und am Hals sind ausgiebige und tiefe