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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Mädchen ins Haus geschneit bekam, das er bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr ehrenvoll aufzog. Dann aber geschah es, dass er und sein Sohn sich gleichzeitig in diese verliebten. Und aus dieser Konkurrenz entsprangen diverse seltsame Zwischenfälle und Konflikte. Doch nachdem diese Probleme gelöst waren, nahm der Sohn das Mädchen zur Frau und lebte lange Zeit überaus glücklich mit ihr.[ 69 ]
    Diese Präsentation grenzt an eine Verhöhnung des Publikums: In wenigen dürren Sätzen wird alles gesagt, das Publikum kann eigentlich schon wieder nach Hause gehen.
    Das lieblose Kurzresümee macht deutlich, worum es dem Verfasser nicht geht: um das Happy End. Den Zuschauern werden im Prolog hingegen die «seltsamen Zwischenfälle und Konflikte» vorenthalten. Diese bekommt er nur auf der Bühne zu sehen. Sie genauer anzuschauen, muss sich also lohnen. Und noch einen Hinweis verrät der «Ansager»:
Wenn auf der Welt dieselben Menschen wieder erscheinen würden, so wie dieselben Ereignisse wiederkehren, so würde es keine hundert Jahre dauern, bis wir uns erneut zusammenfänden, um dieselben Dinge wie jetzt zu tun.[ 70 ]
    Der erste Satz des Prologs fasst Machiavellis historische Theorie zusammen: Die Geschichte wiederholt sich in immergleichen Situationen und Konstellationen. Die Menschen sind zwar nicht dieselben, doch ihr Wesen ändert sich nicht:
Was sagt ihr nun dazu, dass sich derselbe Fall (= wie im antiken Athen) vor wenigen Jahren in Florenz zugetragen hat? Und da unser Autor die Geschichte natürlich nur einmal erzählen will, hat er den florentinischen Fall gewählt, weil er glaubt, dass ihr daran größeres Vergnügen finden werdet. Schließlich liegt Athen in Trümmern: Die Straßen, Plätze und Namen sind dort nicht wiederzuerkennen. Außerdem sprechen die Leute dort Griechisch, eine Sprache, die ihr nicht versteht. So nehmt mit der florentinischen Geschichte vorlieb, doch rechnet nicht damit, Familien oder Personen wiederzuerkennen, denn der Autor hat – um Ärger zu vermeiden – die echten Namen mit erdachten vertauscht.[ 71 ]
    Die Komödie Clizia will also eine Lektion von ewiger Gültigkeit erteilen. Den Zuschauer erwartet ein Lehrstück. Was sich in Athen zutrug und sich in Florenz wiederholt, ist Teil des Menschen und seiner Geschichte.
    Die Personen der Komödie selbst sind Typen und daher austauschbar; auch das wird den Zuschauern sofort vor Augen geführt. Der «Regisseur» ruft sie auf und stellt sie vor:
Kommt raus, das Volk will euch sehen. Hier sind sie! Seht ihr, wie nett sie sind? Stellt euch in Reih und Glied auf, einer neben den anderen![ 72 ]
    Dabei werden die Handlungs- und Zeitebenen ineinander verschränkt:
Und dann gibt es noch eine Person, die sich nicht zeigen wird, weil sie noch auf dem Weg von Neapel zu uns ist.[ 73 ]
    Deutlicher kann man die Botschaft nicht machen: Die Bühne ist das Leben. Was ihr hier seht, spielt im Hier und Jetzt. Es geht um euch, um eure Stadt und eure Geschicke. Ihr entscheidet – auf der Bühne wie im «echten» Leben:
Ich glaube, jetzt reicht es, ihr habt genug gesehen. Das Volk entlässt euch, kehrt hinter den Vorhang zurück.[ 74 ]
    Die Erwartung des Publikums soll sich also ganz und gar auf die «seltsamen Zwischenfälle und Konflikte» richten. Diese bestehen vor allem in der Konkurrenz zwischen Vater Nicomaco und Sohn Cleandro um Clizia. Nicomaco ist siebzig Jahre alt und körperlich hinfällig, hält sich jedoch für äußerst potent und rast vor Begierde nach seiner siebzehnjährigen Ziehtochter. Er begehrt, was ihm nicht zusteht, ja, sein Ansinnen ist zutiefst pervers. Um zum Ziel seiner Begierde zu gelangen, verstößt der geile Alte gegen alle Regeln des Anstandes, ja, er wird zu einem moralischen Monster:
Ich werde dich (= seinen Sohn Cleandro) und ihn (= dessen Diener Eustachio) ins Gefängnis werfen lassen; und Sofronia (= seine Gattin) werde ich ihre Mitgift auszahlen lassen und dann wegschicken. Denn ich will der Herr in meinem Haus sein, das soll nur jeder hören![ 75 ]
    Diese Raserei ist für seine Mitmenschen und speziell für seine Familie umso verstörender, als Nicomaco nach den Worten seiner Gattin, die es wissen muss, vorher ganz anders war:
Wer Nicomaco kannte, wie er noch vor einem Jahr war, und sieht, wie er jetzt ist, muss sich wundern: Wie hat er sich verwandelt! Denn vorher war er ein ernster, anständiger und pflichtbewusster Mann. Seine Zeit verbrachte er mit ehrenvollen Beschäftigungen.[ 76 ]
    In Sofronias betrübtem

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