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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Prächtigen hatte die zupackende Machtpolitik seines älteren Bruders, Papst Leos X., bis zum Schluss missbilligt. So hatte er sich dagegen ausgesprochen, Francesco Maria della Rovere, den vom letzten Spross der Montefeltro adoptierten Herzog von Urbino, unter einem Vorwand abzusetzen und dessen Herzogtum Lorenzo de’ Medici dem Jüngeren zu verleihen. Doch der Papst hatte diesen guten Rat nicht angenommen, sondern Urbino 1515 erobern lassen und seinen Neffen zum Herzog erhoben. Damit hatte Leo X. gegen einen politischen Moralkodex verstoßen und die italienische Öffentlichkeit gegen sich aufgebracht: Die Medici waren drei Jahre zuvor von einem spanisch-päpstlichen Heer und auf Befehl Julius’ II. nach Florenz zurückgeführt worden, sie schuldeten dessen Familie, den Della Rovere, daher Dank und Gegenleistungen. Machiavelli durfte seine These, dass Dankbarkeit in der Politik nicht zählte, bestätigt sehen.
    Doch auch Lorenzo, dem frisch ernannten Herzog von Urbino, war kein langes Leben beschieden. Er starb schon im Mai 1519, mit nur siebenundzwanzig Jahren. Sein frühzeitiges Ableben wurde in Florenz mit allgemeiner Erleichterung aufgenommen. Viele hatten befürchtet, dass ihn sein Onkel auch zum Fürsten von Florenz erheben würde; die Übertragung des Kommandos über die florentinischen Truppen auf Lebenszeit war ein Schritt, der in diese Richtung deutete. Zudem hatte Lorenzo gefehlt, was seinen gleichnamigen Großvater, den «Prächtigen», ausgezeichnet hatte: die Kunst, hinter den Kulissen zu vermitteln, die Führungsschicht insgesamt zu versöhnen und trotzdem die loyalsten Parteigänger in die Schlüsselpositionen zu bringen. Zu diesem Zweck hätte man sich leutselig zeigen, reichlich Audienzen geben, einflussreichen Parteigängern schmeicheln und bei all diesen Gelegenheiten die richtigen Worte finden müssen, die die Ehre der anderen vermehrten, ohne der eigenen Machtstellung Abbruch zu tun. Doch alle diese Machttechniken waren dem neuen Herzog von Urbino zutiefst zuwider gewesen. Er zog sich zurück, verkehrte mit den primi nur noch im Befehlston und ließ seine Untergebenen regieren. Auf diese Weise sahen sich die Florentiner Patrizier «Vorgesetzten» gegenüber, die sie als ihre Domestiken betrachteten. Die Politik von Florenz bestimmten jetzt Notare, die als treue Klienten des Hauses Medici aufgestiegen waren und in dessen Namen Befehle ausgaben. Diese betrafen immer häufiger den Einzug von Steuern. Papst Leo X. lebte weit über seine finanziellen Verhältnisse. Seine kostspieligen Unternehmungen wie die Eroberung Urbinos kosteten Unsummen, für die Florenz immer häufiger einzustehen hatte.
    Mit dem Tod Lorenzos schien sich im Frühjahr 1519 plötzlich ein Silberstreif am Horizont abzuzeichnen, denn damit lebten bei großzügiger Betrachtung nur noch zwei legitime Abkömmlinge des Hauptzweigs der Familie Medici: der Papst und sein Vetter, Kardinal Giulio. Dieser war, wie tout Florence wusste, als unehelicher Sohn Giulianos, des in der Pazzi-Verschwörung ermordeten Bruders Lorenzos des Prächtigen, geboren worden, doch war seine Abkunft nachträglich dadurch «korrigiert» worden, dass man eine Eheschließung seiner Eltern fingierte. Außer diesen beiden Klerikern gab es nur noch zwei illegitime Medici-Sprösslinge der nächsten Generation namens Ippolito und Alessandro; beide waren 1520 erst zehn Jahre alt und daher als politisches Faustpfand nicht einsetzbar – von den Zweifeln an ihrer Geburt und bald auch an ihrem Charakter ganz abgesehen.
    Während Machiavelli seine politischen Hauptwerke und seine Komödien schrieb, unternahm er einige Geschäftsreisen in privatem Auftrag. Für florentinische Firmen hielt er sich 1516 in Livorno, 1518 in Genua sowie 1519 und 1520 in Lucca auf. Dabei handelte es sich in der Regel darum, ausstehende Schulden einzufordern – was für ein Abstieg gegenüber seinen Dienstreisen zum Kaiser und zum König von Frankreich! Immerhin erreichte ihn auf seiner letzten Mission in Lucca, bei der es um sehr viel Geld, doch auch um das skandalöse Verhalten sizilianischer Studenten an der Universität Pisa ging, ein Brief von Kardinal Giulio de’ Medici, in dem sich dieser Kirchenfürst lobend über Machiavellis Klugheit äußerte. Waren das Zeichen einer neuen, besseren Zeit?
    Auf jeden Fall fühlte sich Machiavelli ermutigt, wieder politische Denkschriften zu verfassen. Und noch in einer weiteren Hinsicht war er sich treu geblieben: Aus Lucca kam er als

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