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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Rückblick wird der Tageslauf eines florentinischen Biedermanns geschildert: Nach zeitigem Aufstehen hört Nicomaco die Frühmesse, kümmert sich um Geschäfte und Politik, erledigt seine Korrespondenz, überprüft Rechnungen, isst im Kreise seiner Lieben zu Mittag, erteilt seinem Sohn Ratschläge, die mit lehrreichen Beispielen aus Antike und Gegenwart unterlegt sind, widmet sich danach wieder den Geschäften und kehrt vor Einbruch der Dunkelheit zu den Seinen zurück. Nach dem Abendessen im trauten Familienkreis arbeitet er noch ein wenig und geht dann früh ins Bett! Mit dieser Idylle ist jetzt Schluss. Aus dem Ehrenmann ist ein Wüstling geworden, der seinen letzten Kredit verspielt. Man muss ihm das Handwerk legen, um die Familienehre zu retten. Sofronia, die kluge Hausherrin, wird zur Verschwörerin aus Not. Sie will verhindern, dass Nicomaco sie verstößt, insofern handelt sie egoistisch, doch weiß sie die herrschende Moral und die alte, bessere Ordnung auf ihrer Seite. Selbst Nicomacos wahre Interessen, die dieser nicht mehr zu erkennen vermag, schützt sie mit ihrem Komplott: Was will der zahnlose Alte mit dem jungen Ding, er ruiniert nur den Rest seiner Gesundheit und Reputation!
    Sofronias natürlicher Verbündeter ist ihr Sohn Cleandro, obwohl sie dessen Hauptziel, Clizia selbst zu bekommen, nicht zustimmt. Als treusorgende und ehrgeizige Mutter hat sie für ihn eine bessere Partie im Auge. Beide eint jedoch das Bestreben, dem rasenden Nicomaco eine Lektion zu erteilen, die ihn wieder in den alten, besseren Zustand zurückverwandelt. Gesagt, getan! Die große Koalition der Vernunft, der Moral und der Ordnung, die dadurch zustande kommt, hat mit ihrem Komplott Erfolg. Denn Nicomaco, der Alleinherrscher sein möchte, hat nicht das Zeug zum Familienfürsten. Wie Cesare Borgia macht er am Anfang alles richtig, doch am Schluss den entscheidenden Fehler. Zunächst betrügt er virtuos und drängt dadurch die Gegenspieler zurück. Sein großer Coup besteht darin, seinem Sohn Cleandro ein Gottesurteil vorzuschlagen: Soll der Himmel entscheiden, wer von uns Clizia bekommt! Ziehen wir also jeder ein Los und sehen, wer gewinnt! Cleandro lässt sich auf dieses Spiel ein und verliert, denn natürlich hat der Alte die Lose manipuliert.
    Auf dieser richtigen Bahn schreitet Nicomaco jedoch nicht zum Ziel. Sein Fehler besteht darin, dass er Clizia verheiraten will, bevor er mit ihr schläft. Zu ihrem Ehemann hat er seinen Diener Pirro, einen ausgemachten Taugenichts, bestimmt; dessen Platz will er in der Hochzeitsnacht einnehmen. Aber wer im Machtkampf siegen will, muss die traditionelle Moral ganz und gar über Bord werfen. Nicomacos halbherziger Plan gibt Sofronia und Cleandro reichlich Gelegenheit, ihre Verschwörung voranzutreiben: In einer Scheinzeremonie wird Pirro mit Cleandros Diener Eustachio, der als Clizia verkleidet wurde, «verehelicht», und Nicomaco bekommt in der darauf folgenden Nacht keine Liebe, sondern Prügel. Zum Schluss taucht der neapolitanische Edelmann auf, der im Prolog angekündigt wurde, und erkennt Clizia als seine Tochter, so dass Cleandro sie mit Ehren und reicher Mitgift heiraten kann. Dadurch wird auch Nicomaco zufrieden gestellt; die Heirat seines Sohnes befriedigt zwar nicht seine Libido, doch seinen zweiten Haupttrieb, den Geiz.
    La Mandragola konnte politisch aufgefasst werden, Clizia musste es. Allzu penetrant ähnelte Nicomacos gefälschtes Losverfahren der Handverlesung, mit der die Medici die Amtsträger der Republik Florenz bestimmten. Was mit dem besseren Zustand vor der plötzlichen Verwandlung des Hausherrn gemeint war, ließ sich gleichfalls ohne allzu viel Phantasie erschließen: Florenz ohne die Medici! Die griechischen Namen für Personen eines Stücks, das in Florenz spielen sollte, und weitere Verfremdungseffekte dieser Art im Prolog waren schon fast ein Wink mit dem Zaunpfahl: Die Geschichte wiederholt sich, man muss sie nur recht zu verstehen wissen. «Das Volk entlässt euch» – dieser Satz aus dem Vorspiel gewinnt vor diesem Hintergrund eine ganz konkrete Bedeutung: Tretet von der politischen Bühne ab, ihr Medici!
    Die vorbildlichen Angelegenheiten von Lucca
    Dass die Medici abtreten sollten, dachten um 1520 immer mehr Florentiner, und zwar nicht nur aus dem Volk, sondern auch in den Kreisen des Patriziats, vor allem nachdem 1516 mit Giuliano das einzige Mitglied der Medici-Familie verstorben war, das aufrichtig betrauert wurde. Der jüngste Sohn Lorenzos des

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