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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Familie und ihrer Anhänger tätig zu werden. Wer es versäumte, etwas für seine Klienten zu tun, sah sich schnell von diesen verlassen und von seinen Konkurrenten zurückgedrängt. Für Machiavelli war das der Fluch, der über der Republik Florenz hing: Wer sich ohne Hintergedanken dem Gemeinwohl widmete, ging unter. Doch seine Kritik reichte viel weiter: Aufgrund ihrer chronischen Zerstrittenheit waren die herrschenden Cliquen nicht in der Lage, die Stabilität im Inneren zu garantieren und äußere Feinde in Schach zu halten.
    Das waren nicht die einzigen Fehler dieses Staatswesens, die Machiavelli im Rückblick mitleidlos auflistete. Florenz war für ihn in jeder Hinsicht das schwächliche Gegenbild der ruhmreichen römischen Republik, nicht zuletzt unter militärischen und finanziellen Gesichtspunkten. 1498 waren beide Aspekte aufs Engste miteinander verknüpft. Um Pisa zurückzuerobern, brauchte Florenz ein Heer. Da die Regierenden seit langem davor zurückscheuten, ihre eigenen Bürger zu bewaffnen, mussten sie Söldner unter einem Kriegsunternehmer (condottiere) anwerben. Das kostete Geld, und zwar mehr, als die Republik aus ihrem Herrschaftsgebiet an Steuern und Abgaben zu ziehen vermochte. Um überhaupt ein bewaffnetes Aufgebot gegen die rebellische Untertanenstadt schicken zu können, musste sie auf außerordentliche Finanzquellen zurückgreifen. Dann mussten die wohlhabenderen Florentiner Anleihen (accatti) in den sogenannten «Berg» (monte) einzahlen. Dieser diente als Staatsbank und zahlte für die erzwungenen Einlagen Zinsen – zumindest theoretisch; in den nicht gerade seltenen Zeiten extremer Finanznot blieben diese Erträge aus. Wie zahlungsfähig der monte war, hing von den regulären Staatseinnahmen ab, die seine Deckung bildeten. Sie bestanden aus Zöllen und diversen indirekten Steuern auf Verbrauchsgüter wie Salz, Wein und Fleisch. Die meisten dieser Abgaben wurden also von der Gesamtheit der Konsumenten entrichtet und trafen die Armen am schwersten. Darüber hinaus wurden von den Reichen freiwillige Investitionen in den monte delle doti erwartet; in diesem «Berg der Mitgiften» legten die vornehmen Familien Gelder an, die sie sich bis zu einem bestimmten Prozentsatz bei der Verheiratung einer Tochter mit Zins und Zinseszins ausbezahlen lassen konnten. In extremen Krisensituationen musste die Republik kurzfristige Kredite aufnehmen, die wegen des Risikos sehr hoch verzinst waren. Insgesamt lavierte Florenz in finanzieller Hinsicht zwischen Not und Elend. Neue Steuern wurden nicht nur häufig vom Großen Rat blockiert, sondern erwiesen sich, wenn sie dieses Nadelöhr passiert hatten, oft genug als weitgehend uneinziehbar.
    Wie die Denkschriften und Memoranden belegen, die er als Staatsdiener verfasste, war dieser permanente Finanznotstand für Machiavelli ein doppelter Skandal. In einer wohlgeordneten Republik sollten die Bürger arm, die öffentlichen Truhen hingegen zum Bersten gefüllt sein. Für seine reichen Mitbürger war das ein provozierendes Plädoyer. Sie sahen es genau umgekehrt: Der Staat sollte so wenig wie möglich kosten und ihnen in Form von Ämtern und Ansehen mehr einbringen, als er ihnen abverlangte. Ein weiterer Stein des Anstoßes war für Machiavelli die florentinische Militärordnung, die die Zwangsanleihen überhaupt erst nötig machte. Schon früh plädierte er dafür, das Söldner-System abzuschaffen und stattdessen eine Miliz einzurichten. Ein solches Bürgerheer wäre nicht nur kostengünstiger, sondern auch zuverlässiger als die condottieri, deren Loyalität von der Zahlungsfähigkeit ihrer Auftraggeber abhing. Die alten Römer hatten es mit ihren ruhmreichen Legionen vorgemacht. Florenz musste diesem leuchtenden Beispiel also nur noch folgen.
    Mit solchen Ideen trat Niccolò Machiavelli im Sommer 1498 seinen Dienst als Chef der Zweiten Kanzlei an.
    Erste Missionen
    Schon Machiavellis erste Dienstreise nach Piombino hatte mit dem Kampf um Pisa zu tun. In Piombino residierte mit Jacopo d’Appiano einer der vielen Kleinherrscher, die ihre kargen Einkünfte aus einem winzigen «Staat» als condottiere in florentinischen Diensten aufbesserten. Um Truppen und Geld ging es auch bei Machiavellis Auftrag. D’Appiano wollte von beidem mehr. Wie Florenz zu diesen Forderungen stand, legte die Instruktion vom 24. März 1499 fest, die Machiavelli mit auf den Weg gegeben wurde:
Wir haben beschlossen, dass es am besten ist, wenn Du ihm das Nötige persönlich mitteilst:

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