Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
dass wir die Wünsche Seiner Durchlaucht von ganzem Herzen erfüllen möchten, und zwar wegen der Treue und Ergebenheit, die sie unserer Republik erwiesen hat und die wir sehr wohl zu schätzen wissen. Und über diese Wertschätzung wirst Du Dich ausführlich auslassen, das heißt: Du wirst ihm unsere positive Einstellung darlegen, aber mit sehr allgemeinen und unverbindlichen Worten, die uns zu gar nichts verpflichten.[ 2 ]
Machiavelli sollte den unverschämten condottiere also mit guten Worten einlullen. In der Sache selbst blieb die Signoria hart: Erstens haben wir kein Geld, zweitens zahlen wir es diesem gierigen Herrn erst recht nicht. Doch das durfte ihr Geschäftsträger Machiavelli nicht so offen sagen. Gleich die erste von vielen undankbaren Aufgaben bewältigte Machiavelli mit Bravour. Jacopo d’Appiano biss in die beiden sauren Äpfel, die ihm Machiavelli als Geschenk seiner Republik überbrachte. Offensichtlich konnte sie ihm Machiavelli durch seine Beredsamkeit beträchtlich versüßen. Doch zu einem verlässlichen Parteigänger wurde der Herr von Piombino dadurch nicht, wie Machiavelli bei später Gelegenheit bemerkte: «Er redete gut, zog schlechte Schlussfolgerungen und führte diese noch schlechter aus.»[ 3 ]
Zumindest der erste Teil des Satzes galt auch für Machiavelli: Sein psychologisches Geschick in den Unterhandlungen mit den Mächtigen sprach sich schnell herum. Es war häufig seine einzige Waffe. Als bloßer Geschäftsträger ( mandatario) der Republik brachte er wenig persönliches Prestige auf seine Missionen mit. Zudem hatte er meistens kaum einen Verhandlungsspielraum. Beeindrucken konnte er sein Gegenüber somit nur durch Worte. Die Kunst der Diplomatie bestand darin, die Wirklichkeit schöner erscheinen zu lassen als sie war – das erfuhr Machiavelli schon auf seiner ersten Legation. Dass D’Appiano aus diesem schönen Schein seine eigenen, Florenz nicht genehmen Schlussfolgerungen zog, konnte Machiavelli ihm kaum verübeln. Sein eigener Auftrag bestand darin zu täuschen. Dass der zu Täuschende seinerseits zu Täuschungsmanövern schritt, war also nur konsequent.
Wie man mit solchen Generälen Pisa zurückerobern sollte, war Machiavelli schleierhaft. Wenn man sie schlecht bezahlte und ihnen wenig Truppen zugestand, blieben sie passiv. Bekamen sie von beidem mehr, wurden sie übermütig oder sogar eine Bedrohung für Florenz. Wie man es besser machen konnte und sollte, legte der Chef der Zweiten Kanzlei 1499 in einem Text dar, der in unmittelbarem Zusammenhang mit den politischen Beratungen dieses Jahres stand:
Ich werde nur die Mittel und Wege erörtern, die dahin (= zur Eroberung Pisas) führen können. Von diesen scheint es mir nur zwei zu geben: Gewalt oder Liebe. Das heißt: Entweder gewinnt man Pisa durch eine Belagerung zurück oder dadurch, dass sich die Stadt freiwillig in unsere Hand gibt. Und da dieser zweite Weg der sicherere und daher wünschenswerte wäre, will ich erörtern, ob er beschreitbar ist oder nicht.[ 4 ]
Die Frage der richtigen Strategie reduziert sich auf ein klares Entweder-Oder. Dabei erweist sich die friedliche Lösung, die verführerisch nahe liegt und zudem am wenigsten Geld kostet, für Machiavelli als fataler Irrtum:
Obwohl sich Pisa momentan in einer desolaten Lage befindet, lassen die Pisaner den Mut nicht sinken. So aber darf man auf gar keinen Fall glauben, dass sie sich jemals aus eigenem Antrieb unter Euer Joch beugen werden.[ 5 ]
Die Pisaner haben Geschmack an der Freiheit gefunden. Deren Genuss hat so berauschende Wirkungen, dass sie niemand mehr missen mag. Die Nutzanwendung der kurzen, an die Entscheidungsträger der Republik gerichteten Erörterung ist daher eindeutig: Pisa muss mit Gewalt zurückerobert werden.
Danach stellte sich nur noch die Frage nach dem «Wann und Wie»: Zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Methoden versprach der Angriff gegen die rebellische Stadt Erfolg? Es ging mithin nicht um Moral, sondern um den Sieg. Dieser Zweck heiligte die Mittel. Wenn es um Freiheit oder Unfreiheit ging, wurden alle Verträge hinfällig. Die Pisaner waren frei, sich ihre Freiheit mit allen nur erdenklichen Methoden zu erkämpfen – so wie die Florentiner für sich in Anspruch nahmen, diese Freiheit mit Gewalt und List zu unterdrücken. Republiken waren exklusive Staaten, die ihre Vorrechte eifersüchtig verteidigten. Das war so – und das war auch gut so. Trotzdem tat sich in Sachen Pisa erst einmal wenig. Florenz stellte mit
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