Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
verpackt: Ihr braucht uns, um politisch zu überleben, doch wir sind nicht auf euch angewiesen. Deshalb können wir abwarten, während die Zeit gegen euch spielt. Das war noch nicht alles. Caterina Sforza wollte ihren Staat für ihren Sohn retten und zugleich ihre Ehre wahren. Ottavianos Sold war für sie eine Frage der Ehre. Und eine Frage der Ehre war auch, dass Florenz ihr für ihre Verdienste in der Vergangenheit nochmals ausdrücklich danken sollte.
Man glaubt geradezu Machiavellis irritiertes Kopfschütteln zu sehen, als er diese Zeilen schrieb: So sind sie nun einmal, die hohen Herrschaften. Sie kämpfen um Sein oder Nicht-Sein, und sie reden von Ehre, Dank und Liebe. Selbst wenn sie nach dem rettenden Strohhalm greifen, wollen sie ihr Gesicht wahren:
Zudem glaube ich, dass sie von Natur aus zu Florenz neigt; und sie macht deutlich, dass sie von dieser Stadt um jeden Preis geliebt werden möchte.[ 10 ]
Die Signoria solle sie daher ihrer Liebe versichern und den Sold ihres Sohnes um 2000 fiorini erhöhen. Dann sei sie zufrieden gestellt und der Republik treu ergeben. So schätzte Machiavelli die Lage ein, nicht ohne hinzuzufügen, dass es unter Umständen auch anders kommen könne. Das war eine ungewöhnliche Einschränkung. Sie leitete sich aus der Irrationalität der Macht und der Mächtigen ab.
Und in der Tat, das Spiel war noch nicht zu Ende. Hinter den Verhandlungen über Ottavianos condotta stand – soviel hatten beide Seiten in der chiffrierten Sprache der Diplomatie klar gemacht – das Schutzbedürfnis der Sforza und Riario: Nicht der condottiere würde Florenz zu beschützen haben, sondern die Stadt ihren condottiere. Die 12.000 fiorini, zu deren Bezahlung sich die Signoria schließlich überreden ließ, sollten zeigen, wie viel Florenz die Ergebenheit von Imola und Forlì wert waren. Für die «Feldherrendienste» eines sechzehnjährigen Knaben hätte die sparsame Republik nie und nimmer so viel Geld ausgegeben.
So war es keine Überraschung, dass die Gräfin am Ende der Gespräche mit Machiavelli ein weiteres Gebot der Ehre zur Bedingung machte: Florenz sollte sich bei Abschluss der condotta verpflichten, die Herrschaft ihres Sohnes zu schützen. Das sicherte ihr Machiavelli zu, nachdem er das Einverständnis seiner Auftraggeber eingeholt hatte. Damit war der Vertrag unterschriftsreif. Der florentinische Unterhändler durfte aufatmen: Mission erfüllt! Doch er freute sich zu früh. Eben noch hatte ihm Caterina Sforza wortreich bestätigt, dass ihr ein mündliches Hilfsversprechen genüge: Sie sei sicher, dass die Stadtregierung auch dann noch zu ihrem Wort stehen werde, wenn es in der Romagna ums Ganze gehe. Doch das alles galt schon am nächsten Morgen nicht mehr: Machiavelli sollte bei der Signoria eine schriftliche Zusage einholen. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte:
Als ich diesen Sinnungswandel hörte, konnte ich meinen Unwillen nicht verhehlen und zeigte mich entsprechend unzufrieden. Und mit Worten und Gesten sagte ich der Gräfin, dass sich die Regierung von Florenz darüber sehr wundern werde, schließlich habe sie ihr Einverständnis ohne jede Zusatzbedingung erklärt.[ 11 ]
Auf weitere Verhandlungen ließ sich Machiavelli nicht ein. Er reiste nach Florenz zurück, wo ihn das Lob seiner Vorgesetzten erwartete. Dazu kam die Neugier der Kollegen aus beiden Kanzleien, die offenbar in erotischen Tagträumereien geschwelgt hatten. Die schöne stolze Gräfin und Machiavelli, der charmante Verführer: Was mochte sich da nachts, wenn die Verhandlungen ruhten und andere Interessen die Oberhand gewannen, alles abspielen! Ein enger Mitarbeiter Machiavellis hatte ihn sogar um eine eigenhändige Zeichnung Caterina Sforzas gebeten. Ob Machiavelli dieses Porträt tatsächlich angefertigt hat, ist unbekannt. Menschlich kamen sich die adelsstolze Gräfin und der Geschäftsträger der Republik gewiss nicht näher.
Arbeit in der Kanzlei
Anfang September 1499 eroberte König Ludwig XII. Mailand weitgehend kampflos. Ludovico Sforza und sein Bruder, der Kardinal, konnten in letzter Minute fliehen. Im Februar 1500 gewannen sie ihre Hauptstadt zwar noch einmal zurück, doch der zweiten französischen Attacke waren sie kurz darauf nicht gewachsen. Beide wanderten in französische Gefangenschaft, in der Ludovico acht Jahre später sterben sollte. Imola und Forlì waren schon einige Monate zuvor verloren gegangen. Cesare Borgia rückte mit eigenen und französischen Truppen in
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