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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Verhandlungsmandats. Doch für hintergründigen Wortwitz hatte außer ihm in Urbino niemand Sinn. Einer der beiden Gesandten musste nach Florenz zurückkehren, um die Forderungen zu überbringen und neue Instruktionen einzuholen. Francesco Soderini, der Ranghöhere, schützte seine angeschlagene Gesundheit vor. Und so ritt Niccolò Machiavelli bei Nacht und Wind nach Florenz, um seine eigene Regierung im Namen des Herzogs vor aller Augen zu demütigen. Denn das war der einzige Zweck, den der Duca Valentino damit verband. Machiavellis Ziel hingegen war es, seine Auftraggeber zu einem festeren und würdigeren Auftreten zu bewegen. Doch das war verlorene Liebesmüh.
    Die Signoria tat ihr Bestes, um sich zum Gespött Italiens zu machen, wie der fromme alte Luca Landucci, seines Zeichens Gemüsehändler und siebzig Jahre lang Tagebuchschreiber, bekümmert notierte. Ein Akt extremer Selbsterniedrigung war schon, dass sie es überhaupt der Mühe wert befand, ihre eigene Existenz zu rechtfertigen: Über alles könne man reden, nur nicht über eine andere Republik. Die peinliche Nachgiebigkeit hatte eine simple Erklärung: Florenz hatte Angst, und Angst war ein schlechter Ratgeber. Geradezu fatal war Angst in Verhandlungen mit einem Mann, der Angst schon von Weitem witterte und dessen ganze Strategie darin bestand, Angst zu machen. Zu diesem Zweck rührte Cesare Borgia mit Hingabe in den Wunden der Florentiner: Eure Republik ist nicht nur schlecht geordnet, sondern auch schwach und ängstlich. Ihr braucht einen wie mich zum Beschützer: einen General, der schnell, skrupellos und zu allem entschlossen zuschlägt. Hohn und Spott, Angst und Schrecken: durch dieses Wechselbad der Gefühle zog Cesare, der Schreckliche, die Regierenden von Florenz. Ihren Gesandten Niccolò Machiavelli hingegen schüchterte er damit nicht ein, er behielt als einziger einen kühlen Kopf.
    Musste man am Arno überhaupt Angst vor Cesare Borgia haben? Das war die Frage, die Niccolò Machiavelli beantworten sollte, und seine Antwort lautete:
Dieser Herr tritt überaus glänzend und großartig auf, und in militärischen Dingen ist er so von sich überzeugt, dass es keine noch so große Unternehmung gibt, die ihm nicht klein erscheint. Und um Ruhm und einen eigenen Staat zu gewinnen, ruht und rastet er nicht und scheut keine Mühe noch Gefahr. Und er kommt an einem Ort an, bevor man überhaupt erfahren hat, dass er vom anderen Ort aufgebrochen ist. Bei seinen Soldaten macht er sich beliebt, zudem hat er die besten Männer Italiens in Dienst gestellt. Das alles macht ihn siegreich und bedrohlich, gepaart mit seinem unablässigen Glück.[ 35 ]
    Welche Schlüsse man aus dieser Charakteristik zog, kam auf den Leser, genauer: auf dessen Fähigkeit an, eine doppeldeutige Botschaft zu dekodieren. Ohne Frage war der Papstsohn rein militärisch ein Machtfaktor und damit eine Bedrohung ersten Ranges. Schließlich konnte Cesare – wie Machiavelli vorher ausführlich kalkuliert hatte – im Kriegsfall 16.000 Mann mobilisieren. Das war für Florenz erschreckend viel, aber eben doch weniger, als vom Duca Valentino selbst behauptet, der von 25.000 Mann sprach. Stärke und Imponiergehabe zugleich war auch Cesares sagenhafte Schnelligkeit. Denn dahinter steckte nicht nur unleugbare Schlagkraft, sondern auch eine gute Portion Hektik. Cesare, der Emporkömmling, musste sich offensichtlich fürstlicher als die echten Fürsten präsentieren. Hinter unbestrittener Macht lauerten also Schwächen, vor allem Abhängigkeiten: Abhängigkeit selbst von den einfachen Soldaten, bei denen sich der Herzog einschmeichelte, doch Abhängigkeit auch von den eigenen Generälen und natürlich von Frankreich. Doch noch viel abhängiger war Cesare Borgia laut Machiavelli vom launischen Glück.
    Wie viel der unbeeinflussbare Zufall in der Politik auszurichten vermochte, diese Frage beschäftigte Machiavelli von jetzt an durchgehend. Gut zehn Jahre später sollte er eine Fünfzig-zu-fünfzig-Rechnung aufmachen: Die Hälfte bestimmt Fortuna, die andere Hälfte die menschliche virtù, das heißt die Tatkraft gepaart mit Vernunft. Wenn dieses Verhältnis auch nur annähernd richtig berechnet war, musste Cesare Borgia mehr Angst haben als Florenz. Denn dann würde ihn sein Glück in allernächster Zeit verlassen. Cesares Glück bestand nämlich nicht nur in erfolgreichen Blitzkriegen und anderen sensationellen Coups, die alle überraschten, sondern auch – und vor allem – darin, dass sein Vater,

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