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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Großteil der lokalen Machthaber im Kirchenstaat gegen sich aufgebracht. Nach dem Motto «Gemeinsam sind wir stark» traten die Getäuschten und Zurückgedrängten jetzt ganz offen auf, um für ihr gutes altes Recht und gegen die frechen Parvenüs, die es mit Füßen traten, zu kämpfen. Den Worten folgten die Taten: Schon Mitte Oktober besetzten die Truppen der Anti-Borgia-Koalition Urbino und Camerino und nahmen beide Orte im Namen der angestammten Herrscher in Besitz.
    Vor diesem Hintergrund muteten Machiavelli die Prahlereien des Herzogs aufgesetzt an. Der Herzog sucht in Wirklichkeit Anlehnung, hier ist durch geschicktes Taktieren unsererseits viel zu gewinnen, so meldete er nach Florenz. Doch das erhoffte Mandat für solche Verhandlungen blieb aus. Florenz betonte seine Freundschaft, doch auf ein Abkommen oder gar auf die Entsendung von Truppen zugunsten Borgias ließ sich die Republik nicht ein. Wir brauchen unsere Söldner, um uns selbst zu schützen; zudem dürfen wir ohne ausdrückliche Erlaubnis des französischen Königs keine weiteren Schritte tun – so lauteten die Entschuldigungsschreiben der Florentiner Stadtregierung, die Machiavelli dem Duca Valentino vorzulesen hatte. Und zwar zu seinem Missvergnügen, denn sein Gegenüber sparte nicht mit hämischen Kommentaren: Florenz hat zu wenig Truppen für einen zu kleinen Staat. Ihr bräuchtet einen General wie mich, der nicht ängstlich laviert, sondern schnell und entschlossen zuschlägt. In diesem Punkt gab Machiavelli dem Herzog Recht: Dieser war auch in Zeiten der Krise voller Zuversicht und Tatendrang. Für die «Rebellen», wie er die Alliierten von La Magione nannte, hatte er nur Verachtung übrig. In seinen Augen waren sie feige Verräter, die schon bald um Gnade betteln würden.
    So viel hochfahrende Zuversicht, wie sie der Herzog Ende Oktober zur Schau stellte, fand Machiavelli immer verdächtiger. Hinter den Kulissen ging etwas vor, doch was? Verdächtig machte er auch sich selbst. Zu verhandeln gab es nach der höflichen Absage der Republik eigentlich nichts mehr, doch abberufen wurde der florentinische Gesandte nicht. Trotz seiner flehentlichen Bitten, heimkehren zu dürfen, musste Machiavelli in der Romagna ausharren. Da war das Lob seiner Auftraggeber nur ein schwacher Trost:
Eure beiden letzten Briefe waren so voller Kraft und zeigten ein so gutes Urteil, dass sie mit dem allerhöchsten Beifall aufgenommen wurden; und ich sprach eingehender mit Piero Soderini darüber, der auch der Meinung ist, dass Ihr auf gar keinen Fall abreisen dürft.[ 37 ]
    Das war der Lohn allzu treuer Staatsdiener: Sie machten sich unentbehrlich und mussten zum Dank dafür länger als zumutbar auf ihrem exponierten Außenposten verharren. Machiavellis Auftrag lautete wie gehabt: die Besprechungen in die Länge ziehen, Zeit gewinnen – und die Augen offen halten! Dass der florentinische Sekretär nichts anderes zu tun hatte, als Cesare Borgias wahre Pläne in Erfahrung zu bringen, war auch diesem klar. Der Herzog musste auf Florenz, das ihm nichts zu bieten hatte, keine Rücksicht mehr nehmen. Machiavelli tat gut daran, vorsichtig vorzugehen.
Ich entgegnete dem Herzog so, wie es mir opportun erschien, und verfolgte in dieser längeren Erörterung konsequent meine Strategie. Diese besteht darin, ihn davon zu überzeugen, dass er Florenz mehr als jeder anderen Macht Vertrauen schenken darf. Zu diesem Zweck hielt ich ihm mancherlei Vorgänge aus der Vergangenheit vor Augen: Wie sich Freunde als Feinde entpuppten, die gegen ihn intrigierten und agierten … Und so bemühe ich mich um jeden Preis, mich zu einem Ehrenmann zu machen, dem man Glauben schenken darf, und mit ihm entsprechend vertraulich zu sprechen.[ 38 ]
    Zweck der Täuschungsmanöver war es, ehrlich und aufrichtig zu erscheinen. Das war eine kluge Taktik. Doch würde sich der misstrauische Cesare Borgia dadurch einlullen lassen? In seinem Palast hatten die Wände bekanntlich Ohren. Sich umzuhören, was er wirklich vorhatte, war gefährlich. Doch diese Risiken nahm Machiavelli klaglos auf sich, wie er in seinem Brief vom 17. Oktober 1502 erläuterte:
Ich will nicht versäumen, Ihnen mitzuteilen, was mir eine der einflussreichsten Persönlichkeiten aus der Umgebung des Herzogs mitgeteilt hat – seinen Namen darf ich auf seine Bitte hin nicht nennen. Als ich mit ihm über die gegenwärtigen Ereignisse sprach, tadelte er mich, weil sich ein Übereinkommen zwischen unserer Republik und dem Herzog so lange

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