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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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ersparen.
    Florenz durfte sich freuen, schließlich waren die Orsini nach den Medici die Staatsfeinde Nummer zwei. Doch sagen durfte das der Gesandte Machiavelli natürlich nicht. Seine wie immer in vorsichtigen Tönen abgefasste Instruktion verpflichtete ihn dazu, Cesare Borgia der innigen Freundschaft der Republik zu versichern. Es war nicht der einzige Akt der furchtsamen Anbiederung. So sollte Machiavelli den beflissenen Dank der Stadtregierung dafür übermitteln, dass der Herzog keine florentinischen Kaufleute mehr überfallen ließ – und im Anschluss daran mit der gebotenen Unterwürfigkeit darum ersuchen, dass diesen künftig ein formeller Schutzbrief ausgestellt werden möge. Der eigentliche Zweck von Machiavellis Mission bestand darin, Informationen zu sammeln und diese so schnell wie möglich nach Florenz zu schicken. Diese Art von Diplomatie konnte man mit etwas weniger Wohlwollen auch Spionage nennen, und mit Spähern machte Cesare Borgia bekanntermaßen kurzen Prozess. Bei seiner zweiten Mission zum Duca Valentino musste sich der florentinische Gesandte also in Acht nehmen.
    Am 6. Oktober 1502 brach Machiavelli auf, und schon in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober hatte er in Imola die erste Unterredung mit Cesare Borgia. Drei Jahre zuvor hatte die Stadt noch Caterina Sforza gehört, die jetzt im Kerker des neuen Stadtherrn schmachtete. An dessen Taktik hatte sich nichts geändert: Die Gegenseite beschuldigen, einschüchtern und erpressen, so lautete auch diesmal die Devise.
Oft hätten ihn die Vitelli und Orsini, als sie in Campi waren, bestürmt, sie gegen Florenz oder Pistoia vorrücken zu lassen, und ihm gezeigt, dass solche Unternehmungen zum Erfolg führen würden. Er habe diesen Bitten nie nachgegeben, sondern ihnen tausend Mal unter Protest zu verstehen gegeben, dass er dieses Vorhaben mit allen Mitteln bekämpfen werde.[ 36 ]
    Ebenso habe er den Orsini klargemacht, dass jede Rückführung der Medici nach Florenz tabu wäre. Aus diesen Gründen allein seien seine condottieri gegen ihn erzürnt. Mit anderen Worten: Er, Cesare Borgia, opfere sich für Florenz auf, ohne dafür den geringsten Dank zu erhalten. Damit müsse jetzt Schluss sein.
    Das waren, wie beide Seiten genau wussten, wahrhaft atemberaubende Lügen. Gut erfunden waren sie jedoch allemal: Florenz war jetzt am Zug. Konkret verlangte der Herzog von der Republik, dass sie ihm gegen die rebellischen Feldherren helfen solle, und zwar sofort. Machiavelli wusste warum: In Urbino brodelte es, die Einwohner der Stadt trauerten ihrem alten Herrn Guidobaldo da Montefeltro nach. Erstaunlicherweise gab Cesare Borgia das sogar zu und gestand damit zum ersten Mal überhaupt eine Schwäche ein – doch nicht, ohne sie postwendend zu widerrufen. Seht her Sekretär, solche Briefe schreibt mir der König von Frankreich! Er drängt mir seine Hilfe gegen meine Feinde, die auch seine Feinde sind, geradezu auf. Ob gegen Bologna oder gegen Venedig: Frankreich steht hinter mir! Möge sich Florenz ein Beispiel daran nehmen. Denn Doppeldeutigkeiten oder Kompromisse dulde ich nicht – wer nicht für mich ist, ist gegen mich.
    Mit solchen Tiraden wurde Machiavelli so eingedeckt, dass er selbst kaum zu Wort kam – eine ungewohnte Situation. Doch gerade wegen dieses unablässigen Wortschwalls witterte er hinter den Beteuerungen der Stärke Schwäche. Nicht nur die Tatsache, dass der im Sommer noch so hochfahrende Herr die Geleitbriefe für die florentinischen Kaufleute anstandslos ausstellte, wies auf seine Verunsicherung hin. Auch Cesares Behauptung, die Orsini seien ihm treu ergeben, war für den florentinischen Gesandten reiner Zweckoptimismus. In Wirklichkeit, so Machiavelli, traute der Papstssohn seinen Unterfeldherren nicht über den Weg. Und zwar zu Recht.
    Am 9. Oktober 1502 trafen sich die Feinde der Borgia in La Magione in der Nähe des Trasimenischen Sees. Dabei zeigte sich, wie groß die Koalition der Geschädigten, Bedrohten und Frustrierten war. Neben den unzufriedenen condottieri Paolo und Francesco Orsini, Vitellozzo Vitelli und Liverotto da Fermo kamen Gentile und Giampaolo Baglioni aus Perugia, Ermes Bentivoglio aus Bologna und sogar Abgesandte von Pandolfo Petrucci, dem starken Mann Sienas. Die Da Varano aus Camerino und die Montefeltro aus Urbino waren auf der Flucht vor den Borgia und daher nicht anwesend, doch unterstützten sie naturgemäß die Bestrebungen der Versammelten. Die Bilanz fiel eindeutig aus: Die Borgia hatten den

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