Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
wollen. Postscriptum: Die 10.000 Dukaten, die Ihr von uns fordert, schulden wir Euch nicht.
Mit dieser merkwürdigen Mischung aus Weinerlichkeit und Aufsässigkeit im Gepäck reiste Machiavelli zuerst nach Mailand, und zwar in nur zwei Tagen: Botschafter-Rekord! Machiavelli hatte sich offensichtlich Cesare Borgias sagenhafte Schnelligkeit zum Vorbild genommen. In der lombardischen Metropole traf er den französischen Statthalter, Charles d’Amboise. Dieser versuchte zu beruhigen:
Und als ich mich von ihm verabschiedete, sagte er so laut, dass es die Umstehenden hören konnten: Ne dotté di rien!
Der Ruf, Frankreich-Spezialist zu sein, verpflichtete, und Orthographie war ohnehin Schall und Rauch. Ne doutez de rien, das hieß: Zweifelt nicht an uns! In Wirklichkeit hatte der stolze Aristokrat wohl eher gemeint: Stellt euch nicht so an, ihr ewig verzagten Krämerseelen vom Arno!
Das sah auch der Kardinal von Rouen, der einflussreiche Minister des Königs, so. Zuerst gewährte «Roano» den beiden Florentinern zum Zeichen seiner Ungnade keine Audienz, was den armen Valori in Angst und Schrecken versetzte. Als die Gesandten schließlich doch vorgelassen wurden, mussten sie sich Vorwürfe anhören: Nach einer einzigen unbedeutenden Niederlage wagten die Florentiner, an der Größe des allerchristlichsten Königs zu zweifeln! Schöne Alliierte waren das, die beim kleinsten Rückschlag an Abfall dachten. Doch Machiavelli dachte nicht daran, klein beizugeben:
An diesem Punkt warf Niccolò Machiavelli mit der größten Geschicklichkeit ein, dass die Florentiner die Toskana retten und zu diesem Zweck ihre Abwehrmauern schützen wollten. Die Befestigungen Consalvos aber seien der Papst, Siena und Perugia.
Von der Mauer Frankreich war nicht die Rede. Verfasser dieser Nachricht war Valori, der seinen nachgeordneten Kollegen Machiavelli damit im hellsten Licht erscheinen ließ. Und das war nicht das letzte Lob dieser Art: In seinem Schreiben vom 7. März 1504 an Machiavelli dankte er dem Schicksal, dass es ihm den Chef der Zweiten Kanzlei, der alles wisse und könne, an die Seite gestellt habe.
Machiavellis Hieb saß. Am nächsten Tag zeigte sich der Kardinal sehr viel zugänglicher. Ein dreijähriger Waffenstillstand zwischen Frankreich und Spanien sei in Vorbereitung, Florenz habe also nichts zu befürchten. Dass sich Ludwig XII. diese Atempause durch den Verzicht auf das Königreich Neapel erkaufte, blieb aus Gründen des Anstands ungesagt, verstand sich aber von selbst. Von dieser einen guten Nachricht abgesehen, hatten die Florentiner wenig Erfreuliches nach Hause zu melden: Florenz sei für den König ein Juniorpartner, der sich zunehmend lästig gebärdete. Doch selbst wenn er wollte, könnte der König nicht mit durchgreifender Hilfe aufwarten. Die Republik müsse selber sehen, wo sie bleibe, und sich mit ihren Feinden arrangieren. Konsequent zu Ende gedacht, lief das auf ein Bündnis mit Spanien hinaus. Doch das war im nach wie vor frankreichgläubigen Florenz politische Ketzerei. Machiavelli musste bis zum 13. Februar 1504 am französischen Hof aushalten, bis die Nachricht vom Abschluss des Waffenstillstands eintraf. Dann durfte er nach Florenz zurückkehren.
Der Diplomat als Dichter
Es war wieder einmal an der Zeit, die Eindrücke und Erfahrungen auszuwerten. Für diese Bilanz wählte Machiavelli zwei ganz unterschiedliche Textgattungen: Satire und Versepos. Pure Satire ist seine Abhandlung «Über die Natur der Franzosen». Nationale Kurzcharakteristiken waren damals beliebt. In solchen Texten konnte man sich nützliche Gebrauchsanweisungen zum Umgang mit fremden Völkern verschaffen. Was Machiavelli über die Franzosen zu sagen hatte, war alles andere als schmeichelhaft, denn der Frankreich-Spezialist hatte die Franzosen nicht lieben gelernt. Das Leitmotiv bildete eine angebliche Äußerung König Ludwigs XII. selbst: Ich liebe Geld mehr als Blut. Damit drehte Machiavelli den Spieß um: Die Franzosen werfen uns vor, Politik nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu betreiben, dabei sind sie die wahren Wucherer und unerträglich geizig obendrein. In diesem Stil ging es weiter: Die Franzosen prahlen im Glück und jammern im Unglück, sie verfolgen nur ihren unmittelbaren Vorteil, kennen die Vergangenheit nicht und denken nicht an die Zukunft. Leichtfertig, eigennützig und eitel, wie sie nun einmal sind, lieben sie den Glanz des Hofes und ihre Ehre. Doch das alles war noch nicht einmal das Schlimmste: «Sie
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