Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
dem Streit Italiens hat es noch kein Ende gesetzt,
noch ist die Ursache so vieler Übel nicht behoben.[ 63 ]
Die Mächtigen dieser Welt sinnen unablässig auf Eroberung und Krieg; zudem sind sie untereinander zerstrittener denn je:
So ist leicht zu erkennen:
Wenn neues Feuer unter den Mächtigen ausbricht,
wird die Flamme bis zum Himmel lodern.[ 64 ]
Solche Endzeitängste hatte einst Savonarola beschworen. Warum stieß der Skeptiker Machiavelli in dieses patriotisch-apokalyptische Horn? Wie bei jedem guten Rätsel erfolgt die Auflösung erst am Schluss:
Doch wäre der Weg zur Rettung leicht und kurz,
wenn ihr den Tempel des Mars wieder öffnetet.[ 65 ]
Den Tempel des Mars ultor, des rächenden Kriegsgottes, öffneten die Römer, wenn sie Krieg führten. Nach 548 Verszeilen folgte also endlich die Moral der Geschichte: Florenz braucht ein neues Militärsystem, wenn es als Staat unter Staaten, das heißt: Wolf unter Wölfen bestehen will.
Auf der Suche nach guten condottieri
Die alte Methode, Kleinherrscher in der Umgebung als condottieri unter Vertrag zu nehmen und unter deren Führung Pisa zu attackieren, führte nicht zum Ziel. Florenz erlebte eine Schlappe nach der anderen. Ende März 1505 fügte eine Koalition feindlicher Kleinstaaten der Republik im Kampf um Pisa bei Ponte a Cappellese eine besonders peinliche Niederlage zu. Zur geringen Effizienz der condottieri kam ihre chronische Unzuverlässigkeit. Trotzdem wurde Machiavelli im Frühjahr 1505 auf die Suche nach einem geeigneten Truppenführer der Republik geschickt.
Mit der notorischen Illoyalität der condottieri machte Machiavelli als Gesandter der Republik zwischen April und Juli 1505 gleich dreimal Bekanntschaft. Seine erste Dienstreise führte ihn zu Giampaolo Baglioni, dem starken Mann von Perugia. Diese Stadt beherrschten die Baglioni seit Generationen, doch ohne jeden Rechtstitel und ohne ihren Untertanen Frieden zu bringen. Frieden wahrten sie nicht einmal untereinander. Im Juli 1500 fielen die zerstrittenen Zweige der Sippe anlässlich eines Hochzeitsfests so bestialisch übereinander her, dass das Gemetzel in die schwarzen Annalen Italiens einging. Giampaolo überlebte den Anschlag mit knapper Not und nahm an den Attentätern blutige Rache. Seinem Ruf als condottiere war diese Vendetta alles andere als abträglich. Florenz schloss mit ihm sogar einen besonders lukrativen Soldvertrag ab und war daher erstaunt, als Baglioni sich plötzlich für unabkömmlich erklärte. Hier waren Machiavellis Erkundungs-Künste gefragt. Und der Chef der Zweiten Kanzlei enttäuschte seine Auftraggeber nicht. Seinen psychologischen Finessen war der brutale Schlagetot Baglioni nicht gewachsen.
Machiavelli nahm ihn regelrecht ins Kreuzverhör und packte ihn bei seiner Ehre:
Jeder, der weiß, welche Verdienste Florenz um Euch hat, weiß, wie es um den Soldvertrag steht, weiß, wie pünktlich Florenz gezahlt hat, weiß, dass Euch alles nach Euren Wünschen unterschriftsreif aufgesetzt wurde … Und keiner wird Euch entschuldigen, sondern alle werden Euch der Undankbarkeit und der Untreue bezichtigen.[ 66 ]
Auf Baglionis lahme Entschuldigung, dass die Doktoren der Universität Perugia sein Vorgehen rechtfertigten, entgegnete Machiavelli mit beißendem Hohn:
Wer sich auf seinen Harnisch etwas zugute hält und sich in diesem Renommee verschaffen will, für den ist der Verlust der Glaubwürdigkeit der schwerste Verlust.[ 67 ]
Dieser verbale Hieb verletzte gleich doppelt. Zum einen wurde dem condottiere damit die Ehre abgesprochen, zum anderen die Berufstauglichkeit. Wenn sich der Ruf eurer Wortbrüchigkeit in Italien verbreitet, werdet ihr keinen Auftraggeber mehr finden: Mit solchen Provokationen trieb der florentinische Gesandte sein Gegenüber zur Weißglut – und zum Geständnis. Baglioni steckte mit den überlebenden Mitgliedern der Familie Vitelli und Pandolfo Petrucci unter einer Decke, gehörte also zur Allianz, die Florenz zwei Wochen zuvor bei Ponte a Cappellese militärisch gedemütigt hatte. Und diesen Verräter hätte die Republik um ein Haar zum Befehlshaber ihrer eigenen Truppen ernannt!
Seine zweite Findungs-Mission führte Machiavelli kurz darauf nach Mantua und damit in ein sehr viel nobleres Milieu. Die Markgrafen von Mantua aus der Familie Gonzaga waren zweihundert Jahre zuvor wie die Baglioni durch einen Putsch an die Macht gelangt, hatten jedoch in der Zwischenzeit deutlich aristokratischere Manieren angenommen. Ihr Hof galt von den Alpen
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