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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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aufrechterhaltenes Wehrgesetz.[ 68 ]
    Die Republik Florenz war ihrer eigenen Einschätzung nach die beste der politischen Welten. In der Rangfolge ihres Zweiten Kanzlers aber figurierte sie noch hinter den Küstenfischern! Das war Machiavellis politische Pädagogik: kritisieren, um zu ermutigen, kräftig in den Wunden der Demütigung rühren, um gesunden Ehrgeiz zu schüren und danach den Weg zum politischen und militärischen Heil zu weisen.
    «Große Dinge müssen am Anfang mit großer Behutsamkeit ausgeführt werden.»[ 69 ] So lautete seine Maxime aus demselben Memorandum. Daher sollte die große Militärreform klein beginnen, nämlich in ausgewählten Bezirken des ländlichen Untertanengebiets. Sorgfältig ausgewählt werden mussten diese Orte, weil sie untereinander zutiefst zerstritten waren. Der unheilvolle Riss zwischen den Führungsgruppen der Stadt zog sich nach Machiavellis Einschätzung quer durch die Dörfer. Kaum ein Weiler, der nicht mit den Nachbarn eine Rechnung offen hatte: über die Grenzziehung von Weiden und Feldern oder über Fragen der Ehre. Wer diese Rivalitäten nicht unterband, würde keine schlagkräftige Miliz, sondern Räuberbanden bilden. Um das Experiment besser kontrollieren zu können, sollten nicht die Einwohner der entfernteren Provinzen, sondern die Untertanen in der näheren Umgebung von Florenz zu den Waffen gerufen werden. Vorsicht war also angebracht, gesundes Misstrauen war besser als blinde Zuversicht. Darin bestand Machiavellis Skepsis.
    Wenn die alten Römer gute Soldaten heranzüchten konnten, dann musste das auch in der Toskana der Gegenwart gelingen: Die Idee, dass sich die Erfolgsgeschichte der römischen Republik jederzeit wiederholen ließ, wenn nur die richtigen Gesetze erlassen wurden, nährte Machiavellis Hoffnung. Er glaubte mit geradezu religiöser Inbrunst, dass sich der Mensch durch die richtige Erziehung formen ließ. Auf diese Umwandlung des destruktiven menschlichen Egoismus in kollektiven Patriotismus und Heroismus lief es in Machiavellis Plänen zur Militärreform hinaus. Dabei lautete das Erziehungsmittel: Disziplin! Die neue Miliz würde Disziplin haben oder untergehen. Disziplin war eine Sache der Gewöhnung, Gewöhnung kam durch Training: Zwölf bis sechzehn Mal sollten die frisch ausgehobenen Kontingente der Republik zur Truppenschau mit obligatem Exerzieren zusammenkommen, und zwar insgesamt 30 bandiere von zusammen 5000 Mann. Dabei sollte jede dieser Einheiten unter einem eigenen Banner dienen, was laut Machiavelli Loyalität und Gehorsam stärkte. Auch die Geistlichkeit sollte dem patriotischen Aufbauwerk ihre Hand leihen und predigen, dass Gott gehorchte, wer Florenz diente. So würde den Soldaten die Liebe zur Republik und der Glaube an ihre Größe eingeflößt werden. Doch zur perfekten Disziplin reichte das alles noch nicht. Exemplarische Bestrafungen würden der Miliz den heilsamen Schrecken einjagen, der zum unbedingten Gehorsam unverzichtbar war. So hatten es die alten Römer vorgemacht, so mussten es die Florentiner nachmachen.
    Doch ohne jede Einschränkung konnte diese Nachahmung nicht vonstatten gehen. Die Florentiner und ihre Untertanen waren eben noch keine alten Römer, sondern sollten es erst im Laufe der Zeit werden. Für die römischen Legionäre der guten alten Zeit war selbstverständlich, dass sie der Republik und nicht deren einflussreichen Persönlichkeiten dienten. In Florenz war es umgekehrt, und dieser Unterschied wollte berücksichtigt werden. Daher durfte keiner der ländlichen Honoratioren, die jetzt zu Offizieren ernannt wurden, Soldaten aus dem eigenen Dorf befehligen. Zusätzlich galt das Prinzip der schnellen Rotation: Die Kommandeure sollten so häufig versetzt werden, dass sie sich keine persönliche Gefolgschaft heranbilden konnten, und durften danach dieselbe Stelle einige Jahre lang nicht mehr bekleiden.
Wenn diese gut durchgeführte Ordnung erst einmal im Landgebiet gilt, wird sie notwendigerweise nach und nach auch in der Stadt eingeführt werden, und zwar mit Leichtigkeit. Und Ihr werdet noch zu Euren Lebzeiten sehen, welchen Unterschied es ausmacht, Bürger-Soldaten nach Tüchtigkeits-Auslese und nicht nach Korruption, wie im Augenblick, zu bekommen.[ 70 ]
    Es ging Machiavelli also von Anfang an um mehr als um eine Bauernmiliz. Sein kühner Plan lautete: Das neue Militärsystem soll Florenz von Grund auf verwandeln. Aus einer Republik der nützlichen Netzwerke sollte eine Republik der Leistung und des

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