Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
nicht durch Bosheit und Unwissenheit verdorben wird. Ihr aber, die Ihr so großen Anteil daran habt, dürft nicht rasten und nicht ruhen, wenn Ihr nicht Gott und die Menschen erzürnen wollt.[ 72 ]
Die Bauernmiliz war also ein Geschenk des Himmels, ein Kirchenfürst musste es schließlich wissen. Diese Lobeshymne war alles andere als uneigennützig. Piero Soderini, der gonfaloniere und Bruder des Kardinals, hatte die Militärreform zur Chefsache erklärt. Die Guten waren demnach diejenigen, die das Staatsoberhaupt unterstützten. Umgekehrt waren die Feinde der Soderini die Feinde der Republik. So zeigte der Brief unfreiwillig, dass die Miliz nicht mehr Einigkeit, sondern eine noch tiefere Spaltung in der Führungsschicht bewirkt hatte. Zudem machte die schmeichelhafte Drohung am Ende des Schreibens deutlich, dass nicht nur die Stellung der Soderini, sondern auch Machiavellis eigene Position mit dem Erfolg des Unternehmens stand oder fiel.
Ein Glück kam selten allein. Machiavellis Decennale war im Druck erschienen und hatte ihm innerhalb wie außerhalb von Florenz breite Resonanz verschafft; der Erfolg des Geschichtsgedichts war so groß, dass es sogar in einem Raubdruck herauskam. Der aktuelle condottiere der Republik, Ercole Bentivoglio aus der Familie der Stadtherren von Bologna, fühlte sich zu einem Kommentar veranlasst, in dem er sich über die Klugheit und Kunstfertigkeit des Verfassers in den schmeichelhaftesten Tönen äußerte. Allerdings schloss sein Brief mit einer düsteren Vision: Das Elend Italiens war noch nicht zu Ende, und daran war nicht allein die Missgunst Fortunas schuld. Die Mächtigen des Landes taten alles, um den Niedergang der Nation zu beschleunigen.
Der frisch erworbene Ruhm des Militärreformers Machiavelli hatte unerwartete Auswirkungen. Von allen Seiten meldeten sich jetzt dörfliche Honoratioren bei ihm. Sie baten um Empfehlungen für ihre Söhne, die es aufgrund ihrer Fähigkeiten unbedingt verdient hätten, eine ländliche Kompanie zu führen. Aus Frankreich schickte Niccolò Valori einen freundschaftlichen Brief, in dem er sein aufrichtiges Bedauern darüber ausdrückte, Machiavelli nicht mehr als Ratgeber an seiner Seite zu wissen. Einen uomo di cervello, einen Mann mit Grips nannte ihn dieser einflussreiche Patrizier in seinem Schreiben. Diesen Ruf hatte sich der Chef der Zweiten Kanzlei redlich verdient. In einer Republik, die wie das antike Rom Verdienst belohnte, wäre jetzt der Aufstieg in Spitzenpositionen fällig gewesen. Machiavelli brachte die Miliz immerhin ein weiteres Amt ein, allerdings ohne zusätzliches Gehalt. Im Dezember 1506 wurde mit dem Magistrat der Neun eine neue militärische Leitungsbehörde eingerichtet, zu deren Kanzler er als geistiger Vater des Bauernheeres ernannt wurde.
Beim schrecklichen Papst
Ercole Bentivoglios Pessimismus kam nicht von ungefähr. Im Sommer 1506 war die Macht seiner Familie in Bologna akut bedroht. Papst Julius II. schickte sich an, seine Ankündigungen wahr zu machen und den Kirchenstaat von den «Tyrannen» zu reinigen. Hinter dieser Parole verbarg sich ein Programm, das dem Papsttum als Institution wie seiner Familie gleichermaßen zugute kommen sollte. Ausgenommen von dieser politischen Flurbereinigung war selbstverständlich die Herrschaft Guidobaldo da Montefeltros in Urbino. Diesem kinderlosen Herzog würde sein Adoptivsohn Francesco Maria della Rovere, ein Neffe des Papstes, nachfolgen. Alle anderen Stadtherren auf päpstlichem Territorium aber befanden sich jetzt in höchster Gefahr. Die Bentivoglio würde es aller Voraussicht nach zusammen mit den Baglioni in Perugia als erste treffen, wenn der rüstige Greis auf dem Papstthron wie geplant an der Spitze einer eigenen Armee nach Norden zog. Bei einem solchen Unternehmen konnte die Republik Florenz nicht abseits stehen; Julius’ Unternehmen betraf ihre unmittelbare Nachbarschaft. Zudem bat der Pontifex maximus um Truppenunterstützung für seinen Feldzug. Was hatte er vor, wie weit würde er gehen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn?
Diese Fragen konnte nur einer beantworten: Am 28. August 1506 berichtete Niccolò Machiavelli, der Sondergesandte der Republik Florenz, von seiner ersten Unterredung mit dem Papst:
Und damit Sie sie durchgehend erkennen können, was ich sagte und was mir geantwortet wurde, werde ich meine und seine Rede wortwörtlich wiedergeben, so wichtig ist die Sache.[ 73 ]
Die Dieci di Balìa erhielten ein regelrechtes
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