Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
bekommen.
Damit war die Audienz zu Ende. Machiavelli musste mit dem Herrn Florimond de Robertet weiter verhandeln, der an die Stelle des kurz zuvor verstorbenen Kardinals von Rouen, den engsten Ratgeber des Königs, getreten war. Robertet zog mächtig vom Leder und erklärte, die französische Militärmacht sei unbesiegbar, Florenz könne sich in Sicherheit wiegen!
Unterdessen kamen weiterhin beunruhigende Nachrichten aus Florenz: Julius II. bedrohte die Republik immer massiver. Dabei hatte er einen Trumpf im Ärmel: Kardinal Giovanni de’ Medici stand in Rom auf seiner Seite und drängte auf den Sturz des governo largo, um die Herrschaft seiner Familie am Arno zu erneuern. Je entschiedener Ludwig XII. gegen den Papst vorging, desto mehr wurde dieser in eine Allianz mit den Medici und zum rücksichtslosen Vorgehen gegen Florenz getrieben.
Machiavelli hatte seinerseits bestürzende Neuigkeiten nach Florenz zu melden: Er wisse aus sicherer Quelle, dass der Papst einen hohen Geldbetrag in die Schweiz überwiesen habe, um die dort angeworbenen Söldner zu bezahlen. Und Ludwig XII. rüste – ungeachtet aller Friedensbeteuerungen – zum Endkampf, in dem er Julius II. vollständig besiegen wolle. Das konnte nur heißen, dass er zum äußersten Mittel, nämlich zur Einberufung eines Konzils zwecks Absetzung des Papstes, greifen werde. Zudem wende der König das Argument, dass Florenz seinetwegen den größten Gefahren ausgesetzt sei, gegen die Republik. Diese müsse sich entscheiden: für ihn oder gegen ihn!
Wie schon bei den vorangehenden Gesandtschaften zu Ludwig XII. konnte Machiavelli mit all seiner Beredsamkeit nichts bewegen – und zog aus den festgefahrenen Verhandlungen die einzig richtige Konsequenz: Er bat um seine Abberufung und die Entsendung eines Boschafters mit starkem Mandat. Doch das war leichter gesagt als getan: Ein Patrizier nach dem anderen lehnte die heikle Mission dankend ab. Machiavelli musste daher bis Anfang September 1510 in Frankreich ausharren, was ihm im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen schlug:
Ich bitte Sie um nichts weiter, als mir durch Bartolommeo Panciatichi die 50 Dukaten zu schicken, die ich (wie am 18. August geschrieben) dringend brauche, damit ich mich kurieren und nach Hause zurückkehren kann. Denn ich leide immer noch unter einem Husten, der mir den Magen so sehr verdorben hat, so dass ich auf nichts mehr Appetit habe. An derselben Krankheit sterben in Paris mehr als tausend Menschen pro Tag. Möge uns Gott nicht im Stich lassen![ 3 ]
Doch Machiavelli war nicht nur krank, sondern offensichtlich auch frustriert und darüber hinaus – untypisch für seine diplomatische Tätigkeit – verunsichert: Der sonst so scharfsinnige Gesandte fand in den diplomatischen Wirrnissen des Jahres 1510 einfach keine klare Linie.
In seinen Einschätzungen der für Florenz immer bedrohlicheren Lage wäre eine eindeutige Option für oder gegen Frankreich erforderlich gewesen. Dazu konnte sich Machiavelli jedoch ausnahmsweise nicht durchringen. Stattdessen schwankte er hinsichtlich der Unterstützung Ludwigs XII. für die Republik zwischen Skepsis und Euphorie. Das gibt zu denken, denn bei nüchterner Abwägung von Gründen und Gegengründen konnte die Entscheidung eines gewieften Realpolitikers nur lauten, dass das Bündnis mit einem König, der nur nimmt, aber nichts gibt, schnellstens aufzukündigen ist. Danach hätte sich die Republik mühelos mit Julius II. versöhnen können, mehr noch: Sie hätte darauf zählen dürfen, vom Papst mit offenen Armen aufgenommen und reich belohnt zu werden. Das allein war schon der Mühe wert. Zudem stand hinter dem Papst Spanien, das sieben Jahre zuvor ganz Süditalien erobert hatte. Den Aufstieg dieser neuen Weltmacht aber leugnete Machiavelli weiterhin konsequent. Damit lag er ganz auf der Linie Soderinis, der in seinen Instruktionen erklärte, das Bündnis mit Ferdinand von Aragon werde Julius II. nichts nützen.
Nie zuvor hatte Machiavelli in seinen ausführlichen Gesandtschaftsberichten nach Florenz so viel referiert und so wenig kommentiert:
Heute Morgen war ich, da es gestern zu spät wurde, ganz früh beim König. Ich trug ihm ausführlich vor, was Ihr mir geschrieben habt. Und als ich von möglichen Verbündeten sprach, von denen sich der König einiges verspricht, und dabei mit den Sienesen begann, sagte er mir: Haben die nicht einen Ort, der Euch gehört? Und als ich dies bejahte, antwortete er mir: Wenn Gott mich lange genug
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