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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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kamen, sahen und kauften sich das Recht zurück, ihre Mitbürger zu unterdrücken. Denn darauf lief alles hinaus:
Und schlagartig stand die ganze Stadt unter Waffen, und in allen Teilen der Stadt erscholl der Schlachtruf: Kugeln, Kugeln (= das Wappen der Medici). So sah sich die Stadtregierung gezwungen, das Volk zur Abstimmung zusammenzurufen, die wir Parlament nennen. Dort wurde ein Gesetz erlassen, durch das die Medici alle Würden und Ränge zurück erhielten, die ihre Vorfahren besessen hatten. Und diese Stadt bleibt ganz ruhig und hofft, mithilfe der Medici nicht weniger ehrenvoll zu leben als zu den Zeiten, in denen der prächtige Lorenzo seligen Andenkens, ihr Vater, die Stadt regierte.[ 30 ]
    Diesen salbungsvollen Briefschluss konnte selbst der misstrauischste Spitzel nicht beanstanden. Doch Machiavelli wäre sich nicht treu geblieben, wenn er nicht kurz zuvor in einer weitaus unauffälligeren Passage gesagt hätte, wie es wirklich war:
Die neue politische Ordnung, die für Florenz erlassen wurde, schien dem Vizekönig für die Sicherheit des Hauses Medici und der Liga ungenügend. So machte er der Stadtregierung klar, dass der Staat wieder so wie zur Zeit Lorenzos des Prächtigen gestaltet werden müsse. Das war den vornehmen Bürgern sehr recht, doch fürchteten sie, dass die große Masse dem nicht zustimmen werde.[ 31 ]
    Damit war alles gesagt: Die Herrschaft der Medici war von Spanien und den vornehmsten Patriziern erzwungen. Die führenden Familien sahen sich dadurch gegen die Ansprüche des Mittelstands geschützt. Sie hatten eine Zeitlang gute Miene zum bösen Spiel des governo largo gemacht, um die Republik dann bei der erstbesten Gelegenheit zu verraten. Dieser Untergang war durch Soderinis Illusionen und Unentschlossenheit besiegelt worden, doch zugrunde gegangen war die Republik durch den Abfall der primi.
    Einige Wochen später schrieb Machiavelli an den gonfaloniere selbst, der nach Siena ins Exil gegangen war. In diesem Brief an seinen ehemaligen Vorgesetzten zeigte er sich darum bemüht, aus dem Umsturz politische Erkenntnis zu gewinnen. So ist sein Ton leidenschaftslos und nüchtern:
Ich kenne Sie und den Kompass, der Ihre Navigation bestimmt. Und selbst wenn diese Fahrt zu verurteilen wäre – was sie meines Erachtens nicht ist –, würde ich sie nicht verurteilen, denn ich sehe, in welchen Hafen sie Sie geführt hat, von welcher Höhe Sie herabgestürzt sind und welche Hoffnungen Ihnen jetzt noch bleiben. Ich will Sie daher nicht mit Ihren Augen, in denen ich nur Klugheit und Vorsicht sehe, sondern nach einem anderen Maßstab beurteilen. Dieser aber besagt, dass man die Dinge nach dem Zweck, zu dem sie gemacht werden, und nicht nach den Mitteln beurteilen soll, mit denen sie gemacht werden.[ 32 ]
    Durch diese Distanz gewinnt die Analyse eine mitleidlose Schärfe. Soderini hat das Grundgesetz der Politik, dass der Zweck die Mittel heiligt, nicht nur verkannt, sondern in sein ängstliches Gegenteil verkehrt. Er wollte es zu vielen recht machen und hat darüber die erste Pflicht des Staatsmanns, den Staat um jeden Preis zu erhalten, vernachlässigt. Dass er nichts dafür kann, macht die Abstrafung nur noch demütigender:
Ich glaube, dass die Natur den Charakter, den Geist und die Vorstellung des Menschen extrem unterschiedlich geschaffen hat. Daher verhält sich jeder so, wie es ihm sein Geist und seine Vorstellung als richtig vorgeben. Und weil sich andererseits auch die Zeiten und die Ordnungen der Dinge ändern, gelingt nur dem alles nach Wunsch und ist nur der glücklich, der in Einklang mit den Zeitverhältnissen vorgeht. Derjenige hingegen scheitert, der mit seinen Handlungen von den Zeitverhältnissen und von der Ordnung der Dinge abweicht … Da sich aber die Zeitverhältnisse und die Ordnung der Dinge im Allgemeinen wie im Besonderen häufig wandeln, die Menschen hingegen weder ihre Vorstellung noch ihre Vorgehensweise ändern, kommt es vor, dass ein und dieselbe Person einmal Glück und das andere Mal Unglück hat. Wer aber so weise wäre, dass er die Zeitverhältnisse und die Ordnung der Dinge zu erkennen und sich ihnen anzupassen vermöchte, der hätte immer Glück beziehungsweise könnte sich vor dem Unglück schützen … Doch da es solche Weisen nicht gibt, die Menschen kurzsichtig sind und nicht gegen ihre Natur ankommen können, folgt daraus, dass sich das Glück wandelt, mit den Menschen macht, was es will, und sie unterjocht.[ 33 ]
    Soderini war laut Machiavelli nicht der

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