Macho-Mamas
Regung darin zu lesen versuchte und der nun ein Stein vom Herzen fiel. «Danke schön! Ich bin im vierten Monat, und es geht mir bestens», gab sie erleichtert bekannt. Mit der Anspannung hatte sich auch ihr Vorsatz, möglichst nüchtern zu kommunizieren, in Luft aufgelöst, und sie fügte bereitwillig hinzu: «Wie es aussieht, werde ich wieder bis zum letzten Tag arbeiten.»
Die Chefin nickte bloß und lächelte so ausdauernd weiter, als ob sie gar nicht mehr damit aufhören könnte.
Macho-Mama war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob das so gut war. Sie ärgerte sich über ihren Anflug von Vertraulichkeit, biss sich innerlich auf die Lippen und fragte sich, wie die Botschaft wohl angekommen war. Wie oft hatte sie in Seminaren gehört, dass Frauen um den heißen Brei herumreden statt konkrete Vorstellungen zu formulieren – diesen Fehler wollte sie unbedingt vermeiden, besonders in dieser Lage, und deshalb sagte sie etwas geschäftsmäßiger: «Ich werde nach dem Babyurlaub weiterhin drei Tage die Woche arbeiten und auch wie bisher bereit sein, für Beiträge zu reisen. Mein Einsatz wird derselbe sein wie jetzt.»
Die Chefin lächelte nicht mehr. «Nun hast du dich also entschieden», sagte sie.
Diesmal nickte Macho-Mama bloß und lächelte. «Ja, wir wollen kein Einzelkind.»
«Ich meine: Jetzt hast du dich für die Familie und gegen die Karriere entschieden.»
Macho-Mama war sprachlos. Nein: sie war schachmatt. Ihr blieb kein Bewegungsspielraum mehr. Nicht in diesem Gespräch und auch nicht bei diesem Blatt. Als sie sich sichtbar machte, war sie sofort in die Rolle des Mamis gedrückt worden, das nebenher ein bisschen arbeitet. Und auch wenn sie der Chefin keine Boshaftigkeit unterstellte, sondern bloß die strukturelle Blindheit und dieselben Vorurteile, die seit Jahrzehnten in der Teppichetage gepflegt werden, so war sie doch mit einem Satz entmündigt worden. Also tat sie das Einzige, was sie tun konnte, um ihre Selbstbestimmung zu behalten: Sie schluckte die Empörung, verließ das Büro und kündigte zum Ende des Mutterschaftsurlaubs. Im neuen Job versteckte Macho-Mama ihre Mutterschaft, so gut es irgend ging.
«Man merkt gar nicht,
dass du Mutter geworden bist»
Die Strategie des Kinderversteckens kennen fast alle berufstätigen Mütter. Viele beherrschen sie perfekt. So perfekt, dass sie öfter mal mit dem Satz «Man merkt gar nicht, dass du Mutter bist» darauf aufmerksam gemacht werden. Der Satz bringt das Phänomen der unsichtbaren Mutter auf den Punkt. Nicht zuletzt, weil er sich zum Kompliment gewandelt hat, das man Müttern macht, um ihnen zu bescheinigen, dass sie wie kinderlose Frauen aussehen und funktionieren.
In Tat und Wahrheit ist dieser Satz kein Kompliment, sondern eine Ungeheuerlichkeit: Man muss nur «Mutter» durch «Vater» ersetzen, um sich dessen bewusst zu werden. Warum sollte man dafür gelobt werden wollen, den eigenen Nachwuchs im Alltag erfolgreich zu verleugnen? Trotzdem haben wir Macho-Mamas lange gebraucht, um das Skandalöse daran zu bemerken. Jahrelang haben wir uns freundlich für das Kompliment bedankt. Wir waren stolz darauf, Familie und Berufsleben vereinbart zu haben, wie man so schön sagt.
Vereinbarkeit gehört, genau wie Work-Life-Balance, zu den postemanzipativen Wortschöpfungen, die in der Politik und in der Wirtschaft herumgereicht werden, um die Tatsache zu kaschieren, dass Kinder und Beruf sich in unserem Arbeitssystem nicht vereinbaren, sondern bloß addieren lassen und das Ergebnis also kein Balance-, sondern ein Verrenkungsakt ist. Lange haben wir den Euphemismus nur gespürt und nicht erkannt, deshalb schmeichelte uns die Feststellung, dass wir als Mütter unsichtbar waren. Der technische Fortschritt half uns, diese Unsichtbarkeit zu perfektionieren: E-Mails werden selbstverständlich auch an den Kindertagen zu Hause gelesen, und mit dem ersten Smartphone bekam das Büro einen festen Platz in der Handtasche. Das Home office gehörte schließlich zu den großen Hoffnungen der Generation Golf.
Die digitale Revolution versprach Unabhängigkeit und Flexibilität und damit für Mütter eine Chance, an beiden Orten präsent zu sein, bei den Kindern und bei der Arbeit. Also ihre Störung zu reduzieren, indem sie abends aufarbeiteten, was sie tagsüber auf dem Spielplatz oder am Krankenbett der Kinder verpasst hatten. So weit die Theorie. In der Praxis taten die Macho-Mamas das, was ihre Großmütter mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor auch getan
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