Macho Man: Roman (German Edition)
jemanden
kennengelernt, der mit der Stimme von Udo Lindenberg sagt: »Ey, alter Penis, da wird ja bräutetechnisch voll die Luzzi abgehen!« Und der erste Eindruck ist nun mal der entscheidende. Also war sofort klar: Für Lysa stehe ich in Sachen sexueller Attraktivität auf einer Stufe mit wirbellosen Lebensformen. Das ist auch gut so, da kann man sich besser auf die Arbeit konzentrieren. Und es öffnet den Raum für Freundschaft. Männer und Frauen können eben doch befreundet sein – wenn von Anfang an klar ist, dass nix läuft.
Und zwischen Lysa und mir wird nie etwas laufen. Die ultimative Bestätigung dieser Vermutung habe ich bekommen, als ich mit Lysa alleine im Kino war. Sie hatte mich gefragt, nachdem der Typ, mit dem sie eigentlich hinwollte, abgesagt hat und auch die drei nicht konnten, die sie danach angerufen hat. Ich war ziemlich stolz, schon an fünfter Stelle auf ihrer Liste zu kommen – auch wenn es nur daran lag, dass ich ihr gerade zufällig gegenübersaß und nicht Udo Lindenberg imitiert habe.
Auf jeden Fall: Mit einer Frau verabredet zu sein, die aussieht wie Scarlett Johansson – das wäre normalerweise ein guter Grund für feuchte Hände, sinnloses Herumstottern und heimliche Asthma-Spray-Benutzung. Nicht so mit Lysa!
Wir hatten einfach nur einen lustigen Abend, wie ich ihn auch mit Mark oder Ulli hätte erleben können. »Stirb langsam 4« ist sowieso kein Film, bei dem romantische Gefühle aufkommen – zumal ich die komplette erste Hälfte am Wasserhahn des Männerklos verbracht habe, weil sich die Bemerkung des Popcorn-Verkäufers, die Chili-Schoten auf den Käse-Nachos seien nur mittelscharf, als dramatische Fehleinschätzung erwies.
Im Rosebud, einer eleganten Cocktailbar im Kölner Studenten-Viertel, haben wir uns dann noch so richtig die Kante gegeben. Alkohol enthemmt bekanntlich, und jeder, der zwei und zwei zusammenzählt, kann sich denken, was dann passiert ist... ich habe Reiner Calmund imitiert.
Wenn ich mich richtig erinnere, wurde Lysa dann gegen halb drei nachts von einem sehr muskulösen schwarzhaarigen Deutschen mit Migrationshintergrund im silbergrauen Porsche abgeschleppt.
Wir vier arbeiten jetzt seit anderthalb Jahren zusammen und sind ein eingeschworenes Team. Letzten Endes zählt doch nur, mit wem man etwas macht. Mit diesen Leuten macht selbst der größte Schwachsinn noch Spaß. Im Frühjahr hatten wir den Auftrag, das Drehbuch für einen zehnminütigen Informationsfilm zu schreiben, in dem eine Firma, die künstliche Darmausgänge produziert, potenzielle Kunden über die Vorzüge ihres Produktes aufklären wollte. Der Film sollte laut Auftraggeber einen »heiteren Tonfall haben, ohne in die Fäkal-Ecke abzudriften«. Beim Brainstorming hatten wir stundenlang so heftige Lachattacken, dass ich ohne Asthma-Spray auf keinen Fall überlebt hätte. 10
Gott sei Dank stimmen meine drei Kollegen und ich auch darin überein, dass das Denglish unseres Chefs extrem albern ist. Rüdiger Kleinmüller wäre auch mit Sicherheit nicht »Head of Development« einer Werbeagentur, sondern Insasse der geschlossenen Psychiatrie (beziehungsweise »Head of the Bekloppten«), hätten sich nicht 90 Prozent aller Werbe-Fuzzis darauf geeinigt, dass Sätze wie »Wir müssen das noch microshapen, sonst kriegen wir das nie gegreenlightet« nicht etwa geistige Verwirrung, sondern Kompetenz ausdrücken. So ist das halt: Die einen trainieren sich Muskeln an, um cool und männlich zu wirken, die anderen sagen nicht »Ich bin Praktikant«, sondern »Ich bin Head of Coffee Cooking«. Der dahinterstehende Minderwertigkeitskomplex ist derselbe.
Karl wirft eine erste Marketing-Idee für koffeinfreien Kaffee in den Raum:
»Eine große Plakatwerbung: Foto von Jan Ullrich, darunter die Schrift: ›Morgens Amphetamine, abends koffeinfreier Kaffee‹.«
Alle lachen. Jetzt kommt auch Lysa in Fahrt:
»Oder wir nehmen dieses Pannenvideo, wo der Radfahrer mit
vollem Tempo gegen den Baum kracht, und dann: ›Er hätte seinen Kaffee besser koffeinfrei getrunken.‹«
Ich versuche, das Ganze mit einer Udo-Imitation zu toppen:
»Also, wenn ich panikmäßig morgens aufwache, so gegen 18 Uhr, dann pfeif ich mir erst mal 'ne volle Dröhnung koffeinfreien Kaffee rein, denn Koffein verträgt sich irgendwie nicht mit Eierlikör...«
Ulli wischt sich die Lachtränen aus dem Gesicht.
»Hört auf, ich kann nicht mehr!«
»Stimmt. Du hast auch schon so komische rote Flecken im Gesicht.«
Das war gemein
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