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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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überstrahlte!«
     
    Und heute:
     
    »Hi, Schatz, wie läuft's denn so?«
    »Du, ich ruf gleich zurück, ich sitz grad auf dem Klo.«
     
    Eigentlich hat man heute gar keine Möglichkeit mehr, sich vernünftig zu vermissen: Man kann telefonieren, simsen, mailen und chatten, sogar mit Bild. Man ist zu jedem Zeitpunkt über alles informiert, was der andere tut. Das ist nicht romantisch. Deshalb habe ich mein eigenes kleines Ritual entwickelt: Um Punkt elf Uhr abends schalte ich Computer und Handy aus und ziehe den Stecker aus meinem Telefon – mit einem Wort, ich bin nicht mehr erreichbar. Das löst am Anfang immer eine leichte unbestimmte Panik aus. So als könnte ich irgendetwas total Wichtigesverpassen. Dabei ist das Einzige, was ich tatsächlich verpasse, in der Regel ein Anruf von Vodafone, ob ich Geld sparen möchte.
    Dafür habe ich jetzt immer die ganze Nacht, um Aylin so richtig zu vermissen. Dazu die »Best of Kuschelrock«, und ich versinke in einem wohligen Meer der Sehnsucht. 11 Als ich an meinem vierten Morgen in Köln wie immer um neun das Handy einschalte, wiehert es. Es wiehert? Ja, es wiehert. Wenn schon keine Postkutschen mehr kommen, soll es sich wenigstens so anhören. Es ist eine SMS von Aylin – die schönste SMS, die ich je bekommen habe. Schöner als »Köln-Schalke 4:2 n.V.« (von Mark), schöner als »Haben den Auftrag von Maxi Malz« (von Rüdiger Kleinmüller), schöner als »Bello doch kein Tumor, war nur Abszess« (von Tante Gertrud). Gegen diese SMS von Aylin kommen mir jetzt die Liebesbriefe von Goethe wie nichtssagende Worthülsen vor. Ich lese sie immer und immer wieder und kann mein Glück nicht fassen. Ich schalte das Handy aus, nur um zu gucken, ob die Worte noch da sind, wenn ich es wieder anschalte. Und sie sind noch da: »Hier ist alles öde und leer ohne dich. Habe gekündigt. Fliege morgen zurück. Aylin.«
    9 Wenn Sie zufällig Lisa heißen und sich mit i schreiben, bitte nicht sauer sein – man hört's beim Sprechen ja gar nicht raus. Trotzdem sollten Sie Ihr Naming mal überdenken ... Wie wär's mit Leysa oder Lisay oder The L-Project?
    10 Liebe Freunde des Fäkalhumors, ich möchte aus Rücksicht auf empfindliche Leser die Details weglassen. Außerdem muss man einfach dabei gewesen sein. Sonst kann man sowieso nicht nachvollziehen, wie lustig es ist, wenn jemand die Frage »Wie klingt denn ein heiterer Tonfall, der nicht in die Fäkalecke abdriftet?« mit einem pfeifenden Pupsgeräusch beantwortet.
    11 Natürlich ist es irgendwie peinlich, als heterosexueller Mann beim Hören einer Kuschelrock-CD in einem wohligen Meer der Sehnsucht zu versinken. Ich schwöre, ich hab's mit Linkin Park versucht, aber es funktioniert nicht.

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    12
    Ich stehe mit einer Horde aus ungefähr sechzig Türken und zehn Deutschen am Köln/Bonner Flughafen und freue mich, als hinter dem Flug 1265 aus Antalya das Wort »gelandet« erscheint. Aylin hat mir geschrieben, dass ihr Bruder Cem sie abholen werde. Ich schaue mir die türkischen Männer um die dreißig an und überlege, wer davon Cem sein könnte. Ein tätowierter Schrank mit Muskel-Shirt und zwei Tuben Gel in den Haaren schaut mich misstrauisch an. Er ist mit 99-prozentiger Sicherheit Türsteher, und wenn er Aylins Bruder sein sollte, ist die romantische Phase der Beziehung definitiv vorbei und es geht ab jetzt darum, den Tag ohne Genickbruch zu überstehen. Eine unangenehme Hitzewelle fährt mir durch den Körper. In Antalya war Aylin einfach eine Erscheinung, ein Naturereignis – losgelöst von allem Irdischen. Aber hier in Deutschland hat sie eine Familie. In mir steigt eine leise Ahnung hoch, dass diese schlichte Tatsache größere Konsequenzen haben könnte, als mir lieb ist.
    Ängstlich starre ich zum Türsteher hinüber und flehe höhere Mächte an, dass er nicht Aylins Bruder ist – beziehungsweise: Wenn er Aylins Bruder ist, dass sich durch eine tragische Verwechslung die Seele eines Lyrikers in den Körper eines Vollproleten verirrt hat. Zu spät bemerke ich, dass der Türsteher sich offenbar durch meine Blicke provoziert fühlt. Er kommt auf mich zu. Mein Puls geht schneller – zumal als ich sehe, dass die schwarzen keltischen Zeichen auf seiner Brust von 4:3 auf 16:9 in die Breite gezogen werden, weil die gigantische Muskelmasse das weiße XXL-Shirt fast zum Platzen bringt.
    »Ey, was guckst du misch an? Hast du Probleme oder was?«
    Bisher dachte ich immer, die Frage »Was guckst du?« kommt nur in

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