Macho Man: Roman (German Edition)
geschrieben hat ... Was hast du gesagt?«
»Ich will heiraten.«
»Heiraten? Du willst mich auf den Arm nehmen!«
»Nein, echt. Ich bin verliebt. Ich will heiraten.«
»Aber Heiraten ist spießig und reaktionär. Wen willst du denn überhaupt heiraten? Kenne ich sie? Sieht sie gut aus? Ist sie emanzipiert? Hat sie einen interessanten Beruf? Kann man mit ihr über Sartre diskutieren?«
»Sie heißt Aylin.«
»Aylin?«
»Ja. Sie ist Türkin.«
»Eine Ausländerin. Das ist gut. Integration ist wichtig.«
»Ich habe sie in Antalya kennengelernt.«
»Das hast du gar nicht erzählt!«
»Nein?«
»Du hast nur eine SMS geschrieben: ›Bin wieder da. Lieben Gruß!‹«
»Oh. Tja, also dann: Ich habe in Antalya meine Traumfrau kennengelernt. Sie heißt Aylin, und ich will sie heiraten.«
»Aber Antalya ist doch ziemlich weit weg. Ich meine, wie oft kann man im Jahr nach Antalya fliegen? Höchstens drei, vier Mal, und außerdem: das ganze Kerosin ...«
»Sie wohnt in Köln.«
»Ah.«
»Also, was meinst du?«
»Tja, das ... das ist jetzt ein bisschen plötzlich.«
»Freust du dich denn gar nicht?«
»Doch, sicher. Ich freue mich. Vor allem darüber, dass sie eine Ausländerin ist. Es ist halt nur ein bisschen plötzlich.«
»Ihr werdet sie lieben. Sie ist eine tolle Frau.«
»Wann lerne ich sie kennen? Wollen wir zusammen in den neuen Wim Wenders? Oder soll ich was kochen? Au ja, ich koche was. Isst sie Schweinefleisch? Trinkt sie Alkohol? Muss sie andauernd gen Mekka beten? Ich glaube, der Barbarossaplatz ist im Osten, dann könnte sie sich ins Wohnzimmer hocken und ihre Gebete in Richtung der Giacometti-Plastik sprechen. Oder soll ich sicherheitshalber einen Kompass besorgen?«
»Erika, ich geb sie dir einfach.«
Ich stelle den Lautsprecher des Handys an. Aylin muss nur schnell das Gespräch mit einer der fünf Emines beenden, dann kommt es zum historischen ersten Kontakt zwischen Aylin und meiner Mutter.
»Hallo?!«
»Ha-llo. Hier – ist – E-ri-ka – die – Mut-ter – von – Da-ni-el.«
»Hallo. Hier ist Aylin.«
»Tut – mir – leid – aber – ich – spre-che – lei-der – nicht – Türkisch!«
»Kein Problem. Ich kann Deutsch.«
»Oh, du sprichst aber sehr gut.«
»Ich bin in Köln geboren.«
»Aber trotzdem. Du sprichst sehr gut. Du hast überhaupt keinen Akzent. Also wirklich sehr gut, und das als Ausländerin.«
»Danke. Und Sie haben einen unglaublichen Sohn. Vielen Dank!«
»Wofür?«
»Dass Sie ihn zur Welt gebracht haben.«
»Ach so, ja. Keine Ursache.«
»Ich hoffe, wir lernen uns bald mal kennen.«
»Ja, das hoffe ich auch. Dann können wir ... uns kennenlernen.«
»Genau.«
»Ja.«
»Okay.«
»Also dann...«
»Also dann geb ich mal wieder den Daniel.«
Aylin gibt mir das Handy wieder zurück.
»Sie spricht aber sehr gut Deutsch, deine Freundin.«
»Verlobte.«
»Ihr seid verlobt??? Habt ihr Ringe getauscht? Wart ihr alleine? Warum weiß ich davon nichts? Gibt es Fotos? Ist dir so was nicht zu spießig?«
»Erika, was ich eigentlich mit dir besprechen wollte ... Also, es ist so: Ihr müsst jetzt um Erlaubnis fragen.«
»Wen?«
»Aylins Eltern.«
»Wofür?«
»Na, ob ich sie heiraten darf.«
»Warum fragst du nicht selbst?«
»Weil das Tradition ist.«
»Eine türkische Tradition?«
»Ja.«
Eine Denkpause entsteht. Ich kann das Gehirn meiner Mutter förmlich rattern hören. Meine Eltern sind strikt gegen Traditionen, vor allem, wenn es um so etwas Altmodisches wie eine Erlaubnis geht. Aber wenn es die Tradition von Ausländern ist, dann ist das Dagegensein nicht mehr links-alternativ, sondern ausländerfeindlich. Eine Pattsituation. Für ganz knifflige Fragen wird immer mein Vater zurate gezogen.
»Rigobert, kommst du mal bitte?! Daniel ist dran.«
Ich höre im Hintergrund das Rascheln einer Zeitung. Es dauert immer eine halbe Ewigkeit, bis mein Vater die Zeit so zusammengefaltet hat, bis er sie zur Seite legen kann. Die Zeit ist nicht nur die Lieblingszeitung der meisten Intellektuellen, sondern auch die unpraktischste Zeitung der Welt: gefühlte zehn Quadratmeter groß und extrem dick. Man muss sie immer zusammenfalten, um überhaupt einen Artikel lesen zu können; wenn man dann umblättern will, muss man erst wieder alles auseinanderfalten, dann die Zeitung mit bis zum Anschlag ausgestreckten Armen von sichweghalten, um sich genügend Rangierraum zu verschaffen (Intellektuelle mit kurzen Armen müssen die Zeitung auf den Boden legen, um sie
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