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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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steuerte eine Bank an. Das Schild hatte einmal, bevor mehrere Buchstaben abgefallen waren, verkündet, dass sich hier die »National Bank of Malaysia« befinde. Vor dem Eingang tastete ein Sicherheitsmann mit einem M-16-Gewehr in der Armbeuge sorgfältig die Taschen meiner Jeans ab. Er reichte mir kaum bis zur Schulter. Das malaiische Geld heißt »Ringgit«.
    Ich schritt die Straße hinunter. Mir entgegen schritten die Einwohner der ruhmreichen Stadt Kuala Lumpur. Die Frauen trugen Kleider bis zu den Knöcheln und Kopftücher. Die Männer weiße, über die Hose hängende Hemden. Ihre Schnurrbärte wirkten an ihren minderjährigen, rosigen Gesichtern wie angeklebt. Sogar die hiesigen alten Weiblein sahen aus wie der Traum eines Pädophilen. Manche Frauen hatten winzige Kinder auf dem Arm. Der Größe nach zu urteilen, hätten diese Kinder nach der Geburt noch eine Weile ausgetragen werden müssen.
    Nachdem ich mehrmals abgebogen war, kam ich auf einen Platz. Am anderen Ende stand eine gewaltige Moschee. Eine heiße, feuchte Menge erfüllte den Platz. Über den Köpfen waren Drähte und Leinen mit bunten Wimpeln gespannt. An dem Gebäude links von der Moschee hing ein riesiges Reklameschild von Kodak.
    Es roch nach gebratenem Fleisch. Zottelhaarige alte Malaiinnen wiegten sich hin und her und verdrehten die Augen. Von allen Seiten wurde gebrüllt. Manche hielten brennende Kerzen umfasst, irgendwer tanzte und klatschte in die Hände. In geflochtenen Körben zappelten schwarze Krabben von der Größe eines Bernhardiners. Direkt auf dem Boden lagen zusammengeknotet lebendige Kraken. Ein paarmal trat ich mit dem Fuß auf ihre Arme.
    Unmittelbar vor dem Eingang zur Moschee saßen bucklige Bettler. Ihre schiefen schwarzen Münder ähnelten den Torbögen von Durchgangshöfen. Die Krüppel streckten die Hand aus und winselten. Manche sahen aus, als hätte man sich ihren Körper nach einem tagelangen Saufgelage ausgedacht. Ich wurde gestoßen. Dann aus heiterem Himmel mit schmutzigem Wasser übergossen. Ich begann, mich wieder aus der Menge herauszuarbeiten.
    Gleich mehrere Straßen führten vom Platz ab. Ich wählte die, die mir am breitesten vorkam. An Leinen trocknete gruselig aussehende Wäsche. An den Wänden hockten würdige, grauhäutige Greise. Sie hatten uralte, runzlige Gesichter. Kinder unbestimmbaren Alters liefen umher.
    Ich packte einen bis zum Gürtel nackten jungen Malaien am Arm.
    »Do you speak English?«
    Er antwortete irgendwas.
    »Weißt du, wo sich die buddhistische Kirche befindet? Das Kloster Sumbun?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Hier dieser Ort auf der Karte. Wo ist das?«
    Er deutete mir an, dass er nicht verstand.
    »Map! Karte! Zeig mir, wie ich von hier aus gehen muss!« Um uns herum versammelte sich eine Menge. Die Malaien brüllten und fuchtelten mit den Armen. Einer, der besser als die anderen Englisch sprach, erklärte, dass ich die Straße hinunter gehen müsse. Ganz, ganz weit hinunter. Dann links und dort sei dann ein Fluss. Ob ich verstehe? Ein Fluss! Ganz, ganz viel Wasser! Und gleich neben dem Fluss lebten die Buddhisten.
    Je weiter ich ging, desto schmaler wurde die Straße. Mehrmals ging ich ausgetretene Stufen hinunter und wieder hinauf. Aus blinden Mauern wuchsen fleischige Blätter. Im Schatten lagen streunende Hunde. Fell hatten sie, die in den Tropen lebten, fast gar keins mehr, auf ihrer unbehaarten Haut blühten bunte Muttermale. Den Hunden war heiß. Ab und zu war mit Spray etwas auf die Mauern geschrieben. Unter den Graffitis lungerte die Jugend von Kuala Lumpur herum. Die Jungen begleiteten mich mit erstaunten Blicken.
    Mir vorzustellen, dass ich mich noch vor ein paar Tagen auf der anderen Seite des Planeten befunden hatte, war schwierig. Die bis fast auf den Grund zugefrorene Newa. Fußgänger mit Salzspuren an den Schuhen ... Das Leben in Petersburg erschien mir wie ein schwermütiger Schwarzweißfilm.
    Die letzte Nacht vor der Abreise hatte ich in der Redaktion verbracht. Auf der Liege schnarchte jemand. Auf meinem Schoß saß ein schweigsames Kind ... Ich weiß nicht, zu wem es gehörte. Ich schaute mir im Internet die kostenlosen Pornoseiten an und nahm ab und zu einen Schluck aus einem klebrigen Glas. Das Kind schaute ebenfalls auf den Bildschirm. Von den weiteren Ereignissen gegen Morgen habe ich nur noch endlose Ausweiskontrollen auf der Straße in Erinnerung.
    Seltsam war es schon, dass man ausgerechnet mich auf den Kongress geschickt hatte. Es hatte eine Zeit

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