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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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für einen Mann das Wichtigste.
    Der junge Mann brachte sie im Taxi nach Hause und trank während der Fahrt Sekt aus der Flasche. Dann gab es wieder Bier, und als das Bier zu Ende war, sagte sie, sie habe noch Kognak, allerdings schlechten, aber er sagte, das sei ihm egal. Als sie um drei Uhr nachts fragte, wo er schlafen wolle – im hinteren Zimmer, wo der Balkon war, oder im Sessel bei ihr im Zimmer, sagte er, selbstverständlich bei ihr ... Als er morgens ging, fragte er, ob er sich ihren Walkman mitnehmen dürfe, und dann zupfte Mark Knopfler lange seine melancholischen Saiten.
    Seine Frau begriff, dass es sich nicht um einen der üblichen Kräche handelte, rief an und fragte, was los sei. Vor kurzem war er mit ihr und dem Kinderwagen auf dem unbebauten Gelände hinter ihrem Haus in Kuptschino spazieren gegangen. Es war heiß, ihr gemeinsamer Sohn schlief, und aus dem Winkel seines kleinen Mundes hing ein lustiger Speichelfaden. Er erinnerte sich an die Empfindungen dieses Sommerabends, an seine Heimkehr nach dem Arbeitstag – an den Geschmack der letzten Zigarette vor dem Abendessen, auf nüchternen Magen – am Ende der Straße geht still die Sonne unter – und zu Hause das Abendessen, das Fernsehen – seine Frau kocht das Essen mit sehr viel Cholesterin, so wie ein müder Mann es braucht – und morgen geht es wieder zurück zu einer interessanten Arbeit, die ihm genug Geld zum Leben bringt – aber vorher kommt noch die Nacht und der bis ins Kleinste bekannte, ihn immer wieder mit Freude erfüllende Körper seiner Frau. Er bekam Sehnsucht, wälzte sich hin und her und erwachte am Morgen schon wieder im Bett seiner Frau. Neben dem Bett lag ein Zettel. Seine Frau bat ihn, nicht mehr wegzufahren, und versprach ihm, sie werde ihn nach nichts fragen.
    An den Bäumen erschienen verdächtig scheckige Blätter. Wieder ging er mit dem Kinderwagen spazieren. Die Straßenköter wedelten mit hoch erhobenen, steifen Schwänzen. Alle Fenster in dem großen Hof waren sperrangelweit offen. Das Fernsehen grölte – überall lief dasselbe Programm. Er wusste, in einer halben Stunde würde er nach Hause kommen und auch dieses Programm einschalten. Des Nachts bedrängten ihn jungianische Missgeburten.
    Er versuchte, sich so zu benehmen, als sei alles normal. Seine Frau lief geschäftig in der Küche herum und schwatzte übertrieben munter. Im Bett nannte er sie »Kleines«. Dann brüllte er sie an. Seine Frau schloss sich im Bad ein und weinte ganz leise, und ihm war übel vom Fernsehen und von der bis zum letzten Zentimeter bekannten Wohnung. Dann floh er doch. Die Frau, mit der er vier Jahre zusammengelebt hatte, ging ihn nichts mehr an. Sie musste im verfaulten Vorgestern bleiben. Jetzt war jede Viertelstunde von Bedeutung. Er wählte die Nummer seiner neuen Bekannten. Sie war erstaunt über seinen Anruf. Fragte, wo er gewesen sei. Heute sei sie müde und würde lieber allein zu Hause bleiben. Ihre Stimme klang tief und erregend. Die Spannung ging nicht vorbei, aber es gab keinen Ort, an den er hätte fliehen können.
    Er knirschte mit den Zähnen, schüttelte den Kopf und quälte sich. Am folgenden Tag musste er einen wichtigen Artikel abgeben. Trotzdem saß er bis zum Morgengrauen in einem Straßencafe am Gostiny Dwor. Auf den Tischen standen rote Winston-Aschenbecher. Außer ihm saßen im Café ein fleischiger Geschäftsmann aus dem Baltikum, der alle zehn Minuten seine Brieftasche zückte, um für alle zu bezahlen, einige Burschen, die die Entlassung eines Freundes aus dem Gefängnis feierten, und ein paar blutjunge Prostituierte, die den Männern gewissenlos Geld für Alkohol und Chips aus der Tasche zogen.
    Den wichtigen Artikel lieferte er trotzdem ab. Zwar kam er nicht mehr dazu, richtig zu schlafen, aber er hatte auch gar keine Lust zum Schlafen. Er schlenderte durch den Verlag und überredete einen ihm kaum bekannten Computerfachmann dazu, georgischen Rotwein zu trinken. Als sie die zweite Portion holten, ließ der Computerfritze die Flasche fallen und bespritzte ihm die Jacke. War er wirklich wegen so was von seiner Frau weggelaufen? Er ging aus dem Verlagsgebäude und überquerte die Straße. Der Bordstein erinnerte an eine zerstörte Bastion. Endgültige Gestalt nahm sein Plan erst an, nachdem er dem Taxifahrer ihre Adresse genannt hatte: »Aber hör mal, vorher müssen wir noch irgendwo Halt machen, um Blumen zu kaufen, ja?«
    Er kaufte eine große Menge Rosen, vielleicht fünfundzwanzig. Der Strauß war so

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