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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Honorare. Von den erhaltenen fünfhundertfünfzig Dollar beschloss er, fünfzig bis siebzig für ein Abendessen auszugeben. Selbst für die damalige Zeit war das viel. Sie bummelten in der Gegend zwischen dem französischen Konsulat und der deutschen Kirche herum.
    Was die Dichte von Pubs, Bistros und Cafes angeht, so steht dieses Viertel an zweiter Stelle in der Stadt, welches auf Platz eins steht, sage ich nicht. In den Lokalen waren entweder zu viele Leute, oder die Leute waren unsympathisch, oder ihm erschien alles zu teuer. Als sie das Café »An der Kasaner Kathedrale« betraten, erklärte das Mädchen, sie habe jetzt genug und sei müde, und hier könnten sie doch bleiben.
    Der Geschäftsführer geleitete sie feierlich in den Saal. Im Café war kein einziger Besucher. Der Saal war hell, mit hohen Decken. Man gab ihnen Plätze in der Mitte – der junge Mann saß am einen Ende eines endlosen weißen Tisches, das Mädchen am anderen. Der Geschäftsführer zündete eine Kerze an, die in einem Leuchter mitten auf dem Tisch stand. Sieben Kellner rannten geschäftig hin und her, legten ihnen gestärkte Servietten auf den Schoß, deckten den Tisch mit schönen alten Tellern und postierten sich dann als kleine Gruppe ganz in der Nähe, um bei Bedarf rasch die Aschenbecher zu wechseln. Das Café hatte große, über die ganze Wand reichende Fenster ohne Vorhänge. Die Passanten vom Newski glotzten ihnen direkt ins Gesicht. Das alles erinnerte stark an die Szene aus Es war einmal in Amerika , wo der Mafioso Robert de Niro ein Mädchen in ein eigens gemietetes Restaurant führt und anschließend auf dem Rücksitz seiner Limousine vergewaltigt.
    Sie hatten schon fast zu Ende gegessen, als lächelnd der Geschäftsführer angelaufen kam. »Wir haben gerade Bier bekommen! Frisch aus der Brauerei! Kaltes Bier! Wie viel möchten Sie?«
    Der junge Mann sagte, ein Glas für jeden würde reichen. Wenn man jeden Tag trinkt, verliert man das Gefühl für den Geschmack des Bieres. Man würdigt nicht mehr den Geschmack, sondern nur die Stärke. Bier darf man nur hin und wieder trinken, in großen Abständen. Nach dem wunderbaren ersten Glas spüren Sie einen unerhörten Schwung, Sie begreifen, dass Ihre Tischnachbarn die nettesten Menschen auf der Welt sind. Und die reden, überschreien einander, lachen sich über ihre eigenen Witze schief, und man denkt, so wird es immer sein. Schon beim dritten oder vierten Glas ist die Begeisterung vorbei. Doch solange man noch das erste Glas in der Hand hat, kann man sich das nicht vorstellen.
    Vom »Kasaner« wechselten sie in die teure Bierstube »Tschaika«, wo sie von jeder vorhandenen Sorte ein Glas bestellten. Ein Pianist im Pullover spielte für sie, dann begannen sie sich über Geschlechtskrankheiten zu unterhalten – im nächsten Pub tranken sie bereits Wodka. Vielleicht hatte er auch ein paar Etappen vergessen. Woran er sich deutlich erinnerte, war die Endstation: Auf dem Gelände neben Mylnikows Drogenhöhle versuchten sie an einem Kiosk, im Tausch für eine Flasche Wodka ihren teuren Silberring zu versetzen.
    Die im Verlag erhaltenen fünfhundertfünfzig Dollar waren längst zu Ende. Der Kioskbetreiber lehnte es ab, den Ring zu nehmen, und sie wussten nicht, was tun. Ein Bürschchen in einer unmodischen Jacke, das sie schon geraume Zeit beobachtet hatte, sagte, er würde ihnen Wodka kaufen – die kleinste und billigste Flasche. Aber nur, wenn sie versprächen, dass sie ihren ersten Toast auf die Stadt Pensa ausbrächten. Dort war dieser Wohltäter nämlich geboren.
    Bettlaken und Decken für die Gäste hatte es in der Drogenhöhle noch nie gegeben. Mylnik zerrte eine Matratze von einem Bett, warf sie auf den Fußboden und schlief schnell in seinem eigenen Bett ein. Der Wodka hatte einen Beigeschmack von Azeton, und nach dem Trinken knirschte es zwischen den Zähnen. Sie schirmten sich mit im Zimmer verstreuten gestohlenen Stühlen gegen den Hausherrn ab. Mylnik hatte diese Stühle in Verwahrung genommen, am Morgen sollten sie abgeholt werden. Sie schliefen dicht aneinander geschmiegt, und das Mädchen flüsterte ihm nach Wodka und Schokolade riechende Worte ins Ohr.
    Wenn er vom schweren Geruch ihrer Haare aufwachte und die über ihre Wangen verschmierte Tusche betrachtete, musste er manchmal lange überlegen, bei wem sie sich tags zuvor einquartiert hatten. Sieben Stunden hintereinander tranken sie im Café neben dem Hotel »Pulkowskaja« warmes Bier, danach waren sie zu Gast bei

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